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Verstoß: Unerlaubte Datenverarbeitung, fehlende Information

  • Beschreibung
    Der Kläger klagte gegen die Beklagte auf Entschädigung wegen des Antidiskriminierungsgesetzes, weil die Beklagte ihn wegen einer Schwerbehinderung nicht eingestellt hatte. Die Beklagte hatte im Prozess angegeben, den Kläger nicht eingestellt zu haben, weil sie ihn gegoogelt hatte und dabei Informationen über eine strafrechtliche Verurteilung des Klägers gefunden hatte. Darüber hatte sie den Kläger nicht informiert.
  • Aktenzeichen
    ArbG Köln, Urteil vom 10.09.2024, Az. 4 Ca 2665/24
  • Kategorie(n)
    Arbeitnehmer, Sonstige Probleme
  • Betrag
    500 €

Tenor:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Entschädigung in Höhe von 9.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz aus diesem Geldbetrag seit dem 28.02.2024 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger weitere 500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 14.05.2024 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtstreits tragen der Kläger zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3.

5. Streitwert: 30.500,00 €.

6. Die Berufung wird – soweit nicht bereits gesetzlich zulässig – nicht gesondert zugelassen.

 

T a t b e s t a n d

Die Parteien streiten über Entschädigungsansprüche des Klägers aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und Auskunfts- und Entschädigungsansprüche nach der DSGVO.

Der am .1973 geborene Kläger ist Volljurist und als Rechtsanwalt selbstständig tätig. Über die Person des Klägers lassen sich verschiedene Informationen allgemein zugänglich im Internet ersehen. So existiert u.a. ein Artikel über den Kläger in der Online-Enzyklopädie Wikipedia. Aus den dortigen Eintragungen ist ersichtlich, dass der Kläger aufgrund der Führung verschiedener Verfahren zur Erlangung von Entschädigungen nach dem AGG wegen behaupteter Diskriminierungen überregionale Bekanntheit erlangt hat. Des Weiteren ist aus dem dortigen Artikel ersichtlich, dass gegen den Kläger ein Strafverfahren vor dem Landgericht München geführt wird.

Die Beklagte ist eine bundesweit tätige Rechtsanwaltskanzlei. Im Dezember 2023 schaltete die Beklagte auf der Internetseite „stepstone“ eine Stellenanzeige (Bl. 39 ff. d.A.) wonach sie einen Prozessanwalt zur bundesweiten Tätigkeit suchte. Bezüglich des genauen Inhaltes der Stellenanzeige wird auf die eingereichte Ablichtung verwiesen.

Der Kläger bewarb sich mit Schreiben vom 18.12.2023 auf die ausgeschriebene Stelle. Dem Schreiben beigefügt war u.a. ein tabellarischer Lebenslauf. Bei den dortigen persönlichen Angaben führte der Kläger auf einen Grad der Behinderung von 50 zu haben und mithin schwerbehindert zu sein. Bezüglich des genauen Inhaltes des Bewerbungsschreibens und der entsprechenden Anlagen wird erneut auf die eingereichten Unterlagen (Bl. 22 ff. d.A.) Bezug genommen.

Mit E-Mail vom 19.12.2023 lehnte die Beklagte die Bewerbung des Klägers ab. Zur Begründung führte die Beklagte in der Mail (Bl. 47 d.A.) aus: „Nach sorgfältiger Prüfung Deiner Unterlagen müssen wir Dir leider mitteilen, dass wir Deine Bewerbung nicht in die engere Wahl nehmen konnten.“

Mit Schreiben vom 13.02.2024 legte der Kläger bei der Beklagten eine Beschwerde nach dem AGG ein und machte mit ergänzendem Schreiben vom selben Tag geltend, die Beklagte habe ihn wegen einer bestehenden Behinderung durch die Absage seiner Bewerbung diskriminiert und habe daher eine Entschädigung nach § 15 AGG zu zahlen.

Die Beklagte lehnte entsprechende Ansprüche mit Schreiben vom 28.02.2024 ab.

Mit Schreiben vom 01.03.2024 machte der Kläger gegen die Beklagte zudem Auskunftsansprüche nach der DSGVO geltend.

Mit seiner am 04.05.2024 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Klage verfolgt der Kläger seine Ansprüche auf Zahlung einer Entschädigung nach dem AGG und seine datenschutzrechtlichen Auskunftsansprüche nunmehr gerichtlich geltend. Die Klage wurde der Beklagten am 13.05.2024 zugestellt.

Der Kläger behauptet er sei schwerbehindert. Dies habe er der Beklagten auch durch Übersendung seiner Bewerbung und die Hinweise im Lebenslauf hinreichend bekannt gemacht. Die Ablehnung seiner Bewerbung sei aufgrund der Schwerbehinderung erfolgt. Indiz hierfür sei insbesondere, dass die Beklagte ihren Verpflichtungen nach § 164 SGB IX nicht erfüllt habe. So habe sie keinen Vermittlungsauftrag bei der Bundesagentur für Arbeit eingereicht und auch intern nicht geprüft, ob die streitgegenständliche Stelle mit einem Schwerbehinderten besetzt werden könnte. Auch habe die Beklagte keinen Inklusionsbeauftragten. Die Beklagte sei daher zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung zu verurteilen und es sei festzustellen, dass die Beklagte weitere aus der Diskriminierung resultierende Schäden zu ersetzen habe. Auch die datenschutzrechtlichen Auskunftsansprüche stünden ihm zu. Aufgrund der nicht fristgerechten Erfüllung dieser Ansprüche schulde die Beklagte ihm zudem Schadensersatz.

Der Kläger beantragt,

1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sämtliche materiellen Schäden, die ihm aufgrund der Bewerbungsabsage der Beklagten vom 19.12.2023 für die bei ihr zu besetzenden Stellen als „Prozessanwält:innen bundesweit (m/w/d)“ entstanden sind sowie künftig entstehen werden, zu ersetzen.

2. Die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine angemessene Entschädigung in Geld zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch den Betrag von EUR 24.000,-nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz aus diesem Geldbetrag seit dem 28.02.2024.

3. Die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft zu erteilen über die Zwecke, für die seine personenbezogenen Daten verarbeitet werden.

4. Die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft zu erteilen über die Kategorien personenbezogener Daten, die verarbeitet werden.

5. Die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft zu erteilen über die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen personenbezogene Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden.

6. Die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft zu erteilen über die geplante Dauer, für die personenbezogene Daten gespeichert werden oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien der Festlegung der Dauer.

7. Die Beklagte zu verurteilen, wenn die personenbezogenen Daten nicht bei ihm erhoben worden sind, ihm Auskunft zu erteilen über alle verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten.

8. Die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft zu erteilen über das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling gem. Art. 22 Abs. 1 und 4 DSGVO und in diesen Fällen aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung für die betroffene Person.

9. Die Beklagte zu verurteilen, die jeweiligen Kopien der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen.

10. Die Beklagte zu verurteilen, den Wahrheitsgehalt und die Vollständigkeit der unter 1. bis 9. zu erteilenden Auskünfte an Eides statt zu erklären durch persönliche eidesstattliche Erklärung eines Ihrer Gesellschafter, namentlich Herrn V G

11. Die Beklagte zu verurteilen, ihm EUR 1.000,-als Ersatz für den immateriellen Schaden nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

              die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet das Vorliegen einer Schwerbehinderung beim Kläger. Sie behauptet eine Diskriminierung des Klägers sei nicht erfolgt. Bei der Bewerbung sei der Beklagten überhaupt nicht bekannt gewesen, dass der Kläger angeblich schwerbehindert sei. Ein Hinweis im Anschreiben habe es – insoweit unstreitig – nicht gegeben und der Hinweis im Lebenslauf sei zu versteckt gewesen und daher nicht aufgefallen. Die Absage der Bewerbung des Klägers sei zum einen erfolgt, da man sich kurzfristig entschlossen habe die streitgegenständliche Stelle überhaupt nicht zu besetzen. Des Weiteren sei ein wesentlicher Grund für die Absage an den Kläger gewesen, dass der Geschäftsführer diesen bereits bei Eingang der Bewerbung „gegoogelt“ habe. Hierbei sei er schnell auf den Wikipedia-Eintrag über den Kläger und die dortige Information gestoßen, dass gegen den Kläger ein Strafverfahren laufe. Aus diesem Grund habe man sich schnell entschieden, die Stelle in keinem Fall mit dem Kläger zu besetzen. Eine etwaige Behinderung des Klägers habe daher nicht ansatzweise etwas mit der Ablehnung zu tun gehabt.

Bezüglich des Weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Niederschriften zum Güte- und Kammertermin verwiesen.

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Klage ist teilweise unzulässig und im Übrigen lediglich in dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Die Klage ist unzulässig, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Beklagte ihm sämtliche aus der Bewerbungsabsage resultierenden Schäden zu ersetzen habe. Dem Antrag fehlt das hierzu erforderliche Feststellungsinteresse nach § 256 Abs.1 ZPO. Die Annahme eines Feststellungsinteresses setzt voraus, dass dem betroffenen Recht oder der Rechtslage eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht. Dies wird bei der Feststellung einer Schadensersatzpflicht angenommen, wenn zukünftige, noch nicht bezifferbare Schäden möglich sind. Dies gilt auch, wenn ihre Art, ihr Umfang und ihr Eintritt noch ungewiss sind. Allerdings muss eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts bestehen. Dafür genügt die nicht eben entfernt liegende Möglichkeit künftiger Verwirklichung der Ersatzpflicht durch Auftreten weiterer, bisher noch nicht erkennbarer oder voraussehbarer Leiden (vgl. BAG, Urteil vom 22.07.2010 - 8 AZR 1012/08, Rn. 105).

Vorliegend ist weder erkennbar noch vom Kläger ansatzweise dargetan, dass diesem durch die Ablehnung der streitgegenständlichen Bewerbung durch die Beklagt ein über die hier geltend gemachten Ansprüche hinausgehender Schaden entstanden sein soll. Worin dieser liegen soll und vor allem warum sich dieser Schaden erst in Zukunft realisieren soll und derzeit nicht bezifferbar wäre ist unklar. Der Antrag war daher abzuweisen.

Auch in Bezug auf die vom Kläger mit den Anträgen zu 3 bis 9 geltend gemachten Auskunftsansprüche war die Klage als unzulässig abzuweisen. Die Anträge sind entgegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht hinreichend bestimmt. Ein Klageantrag ist hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch durch Bezifferung oder gegenständliche Beschreibung so konkret bezeichnet, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 Abs. 1 ZPO) klar abgegrenzt ist, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 Abs. 1 ZPO) erkennbar sind, das Risiko des eventuell teilweisen Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abgewälzt und eine etwaige Zwangsvollstreckung nicht mit einer Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren belastet wird. Es genügt nicht, sich auf gesetzliche Vorschriften zu berufen, die den erhobenen Anspruch vorsehen, vielmehr müssen die sich aus den Normen ergebenden Konsequenzen im Einzelfall von der klagenden Partei bei der Formulierung ihres Klageantrags berücksichtigt werden. In Bezug auf Ansprüche auf Auskunft nach der DSGVO hat die klagende Partei bei ihren Anträgen insbesondere bereits erteilte Auskünfte durch die Gegenseite zu berücksichtigen und ihre Anträge entsprechend zu spezifizieren (vgl. BAG, Urteil vom 16.12.2021 – 2 AZR 235/21, Rn. 21 und 28).

Vorliegend hat die Beklagte dem Kläger bereits umfängliche Auskünfte über die Verwendung seiner persönlichen Daten im Bewerbungsprozess erteilt. Dem Kläger hätte es daher oblegen seine Anträge anzupassen und klar und hinreichend bestimmt aufzuführen welche weitergehenden Auskünfte er begehrt. Da der Kläger dies nicht getan hat sind die Anträge bereits unzulässig.

Die im Übrigen zulässige Klage ist teilweise begründet.

Soweit der Kläger von der Beklagten eine Entschädigung nach dem AGG wegen einer Diskriminierung wegen einer Behinderung fordert ist die Klage zumindest teilweise begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung einer entsprechenden Entschädigung in Höhe von 9.000,00 € aus § 15 Abs. 2 AGG zu. Nach § 15 Abs. 2 AGG kann ein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung geltend gemacht werden, soweit ein Arbeitgeber einen Beschäftigten oder Bewerber aufgrund eines in § 1 AGG genannten Grundes diskriminiert.

Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Für den Kläger ergibt sich dies aus § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG. Der Kläger ist als Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis Beschäftigter i.S.d. AGG (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG). Dies folgt aus dem Umstand, dass er eine Bewerbung eingereicht hat. § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG enthält einen formalen Bewerberbegriff. Die Beklagte ist Arbeitgeber i.S.v. § 6 Abs. 2 AGG.

Der Kläger hat den Entschädigungsanspruch auch frist- und formgerecht geltend gemacht und eingeklagt (§ 15 Abs. 4 AGG, § 61b Abs. 1 ArbGG).

Der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG setzt einen Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 AGG geregelte Benachteiligungsverbot voraus, wobei § 7 Abs. 1 AGG sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen (§ 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG) verbietet. Das Benachteiligungsverbot in § 7 Abs. 1 AGG, das einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz der aus den Antidiskriminierungsrichtlinien des Unionsrechts hergeleiteten Rechte - hier die der Richtlinie 2000/78/EG - zu gewährleisten hat, untersagt im Anwendungsbereich des AGG eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, u.a. wegen einer Behinderung. Zudem dürfen Arbeitgeber nach § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX a.F. bzw. § 164 Abs. 2 Satz 1 SGB IX n.F schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen. Im Einzelnen gelten hierzu nach § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX a.F. bzw. § 164 Abs. 2 Satz 2 SGB IX n.F. die Regelungen des AGG.

Der Kläger hat das Vorliegen einer Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung durch die Beklagte i.S.v. § 3 Abs. 1 AGG hinreichend dargelegt.

Das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG erfasst nicht jede Ungleichbehandlung, sondern nur eine Ungleichbehandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes. Das spezielle Benachteiligungsverbot des § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX a.F. bzw. § 164 Abs. 2 Satz 1 SGB IX n.F. verbietet eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung. Zwischen der Benachteiligung und einem in § 1 AGG genannten Grund bzw. zwischen der Benachteiligung und der Schwerbehinderung muss demnach ein Kausalzusammenhang bestehen.

Soweit es - wie hier - um eine unmittelbare Benachteiligung i.S.v. § 3 Abs. 1 AGG geht, ist hierfür nicht erforderlich, dass der betreffende Grund das ausschließliche oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist; vielmehr ist der Kausalzusammenhang bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung i.S.v. § 3 Abs. 1 AGG an einen Grund i.S.v. § 1 AGG bzw. an die (Schwer)Behinderung anknüpft oder durch diese/n motiviert ist, wobei die bloße Mitursächlichkeit genügt.

§ 22 AGG sieht für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

Danach genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist. Dabei sind alle Umstände des Rechtsstreits in einer Gesamtwürdigung des Sachverhalts zu berücksichtigen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts begründet der Verstoß des Arbeitgebers gegen Vorschriften, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen enthalten, regelmäßig die Vermutung einer Benachteiligung wegen der (Schwer)Behinderung. Diese Pflichtverletzungen sind nämlich grundsätzlich geeignet, den Anschein zu erwecken, an der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen uninteressiert zu sein.

Besteht die Vermutung einer Benachteiligung, trägt die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist. Hierfür gilt allerdings das Beweismaß des sog. Vollbeweises. Der Arbeitgeber muss Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben (vgl. statt Vieler: BAG, Urteil vom 25.11.2021 – 8 AZR 313/20, Rn. 21 ff., m.w.N.).

Zunächst liegt beim Kläger eine Schwerbehinderung vor. Der Kläger hat dies durch Vorlage des Originals seines aktuellen Schwerbehindertenausweises im Kammertermin hinreichend dargelegt.

Auch kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, der Kläger habe seine Schwerbehinderung in der Bewerbung nicht hinreichend deutlich gemacht. Eine hinreichende Mitteilung einer Schwerbehinderung liegt vor, wenn die Mitteilung in einer Weise in den Empfangsbereich des Arbeitgebers gelangt, die es diesem ermöglicht, die Schwerbehinderung des Bewerbers zur Kenntnis zu nehmen. Dem Arbeitgeber muss die erforderliche Mitteilung entsprechend § 130 BGB zugehen. Dabei ist eine Information im Bewerbungsschreiben oder an gut erkennbarer Stelle im Lebenslauf regelmäßig ausreichend (vgl. BAG, Urteil vom 17.12.2020 – 8 AZR 171/20, Rn. 35). Vorliegend hat der Kläger zwar nicht im Anschreiben auf seine Behinderung hingewiesen. Entgegen der Auffassung der Beklagte hat er diese jedoch im angefügten Lebenslauf hinreichend auf seine Behinderung hingewiesen. Der dortige Hinweis ist nicht versteckt. Er befindet sich deutlich erkennbar auf der ersten Seite des Lebenslaufes unter einem eigenen Gliederungspunkt. Die Aufführung bei den persönlichen Daten des Klägers erscheint dabei auch nicht unpassend. Nach Auffassung der Kammer musste der Beklagten daher auch bei nur oberflächlicher Begutachtung der Bewerbung des Klägers dessen Schwerbehinderung ins Auge fallen.

Eine Benachteiligung durch die Beklagte aufgrund seiner Behinderung hat der Kläger hier unter Berücksichtigung der oben aufgeführten Grundsätze und des § 22 AGG hinreichend dargelegt. Er hat konkret dazu vorgetragen, dass die Beklagte die ihr obliegend Verpflichtungen nach § 164 SGB IX, insbesondere die Mitteilungspflicht an die Bundesagentur für Arbeit verletzt hat. Diesem Vortrag ist die Beklagte nicht entgegengetreten (§ 138 Abs. 3 ZPO).

Die Beklagte vermochte es auch nicht die hierdurch indizierte Vermutung einer Benachteiligung zu entkräften. Soweit sich die Beklagte hierbei darauf beruft, sie habe das Bewerbungsverfahren bereits vor Erteilung der Absage an den Kläger abgebrochen, so dass dessen Schwerbehinderung kein Grund für die Absage gewesen sein konnte, überzeugt dies nicht. Zum einen widerspricht dieses Vorbringen der dem Kläger von der Beklagten im Ablehnungsschreiben gegebenen Begründung, wonach die Ablehnung erfolgt sein soll, da der Kläger nicht in die engere Auswahl des Bewerberkreises gekommen sei. Eine solche Mitteilung widerspricht eklatant der Behauptung der Beklagten man habe sich bereits zu diesem Zeitpunkt entschlossen die ausgeschriebene Stelle überhaupt nicht zu besetzen. Auch der zeitliche Ablauf von nur wenigen Tagen zwischen der Erstellung der Stellenanzeige (13.12.) und dem angeblichen Entschluss zur Nichtbesetzung (19.12.) spricht gegen dieses Vorbringen. Ein tauglicher Beweisantritt für das Vorbringen fehlt ebenfalls, hat die Beklagte doch im Kammertermin auf Nachfrage erklärt, der Geschäftsführer habe die Abbruchentscheidung nicht nach außen oder an andere Mitarbeiter kommuniziert. Zuletzt hat die Beklagte zudem selbst im Kammertermin weiter ausgeführt, man habe das Besetzungsverfahren bzw. die Stellenanzeige trotz der Entscheidung die Stelle nicht besetzen zu wollen noch weiterlaufen lassen, um möglicherweise doch noch sehr interessante oder besonders passende Bewerber für die Kanzlei zu finden. Nach diesem Vortag bestand mithin noch ausreichend Raum für die vom Kläger geltend gemachte Diskriminierung.

Auch soweit sich die Beklagte darauf berufen hat, eine Diskriminierung wegen der Behinderung habe nicht stattgefunden, da wesentliches Motiv für die Absage des Klägers die über diesem im Internet auffindbaren Informationen, allen voran die vielfältigen vom Kläger geführten AGG Verfahren und das laufende Strafverfahren wegen Prozessbetrug gewesen sei, so überzeugt dies nicht. Zwar erscheint es grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass eine Ablehnung des Klägers aufgrund entsprechend bekannt gewordener Informationen derart tragend wäre, um eine etwaig indizierte Benachteiligung nach dem AGG ausschließen zu können. Allerdings vermochte die Beklagte auch hier nicht darzulegen, dass sie tatsächlich den Kläger bereits vor der erteilten Absage „gegoogelt“ hat und nicht erst beispielsweise nach dessen Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche. Durch die durchgeführte informatorische Anhörung des Geschäftsführers der Beklagten ließ sich diese Behauptung jedenfalls nicht bestätigen. Zudem widerspricht auch diese Behauptung den dem Kläger im Ablehnungsschreiben mitgeteilten Gründen. Weitere Beweisantritte für die Behauptung lagen nicht vor.

Mangels widerlegter Indizien einer Diskriminierung durch die Beklagte war diese daher zur Zahlung einer Entschädigung zu verurteilen. Hierbei hielt die Kammer eine Entschädigung von 9.000 € für angemessen, wobei sich die Kammer hier an einer 1 ½ fachen Monatsvergütung wie vom Kläger beziffert und von der Beklagten nicht bestritten orientiert hat. Die Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG muss einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz gewährleisten. Die Härte der Sanktion muss der Schwere des Verstoßes entsprechen, indem sie insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber gewährleistet, zugleich aber dem allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt (vgl. LAG Hessen, Urteil vom 04.09.2023 - 7 Sa 753/22, Rn. 135 ff.). Die Kammer hat hierbei berücksichtigt, dass es sich bei der Beklagten um eine große Anwaltskanzlei mit ca. 200 Mitarbeitern und einer entsprechenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit handelt, so dass die Entschädigung nicht zu niedrig anzusetzen war. Auf der anderen Seite war zu berücksichtigen, dass die hier vorliegende Pflichtverletzung in Form von gesetzlichen Form- und Mitteilungspflichten gering ist und nicht direkt gegen den Kläger gerichtet war.

Abschließend war die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 500,00 € zu verurteilen aufgrund von datenschutzrechtlichen Verstößen. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger eine Entschädigung in dieser Höhe gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu zahlen, weil sie diesen entgegen Art. 14 Abs. 1 lit. d DSGVO nicht über die Kategorie der von ihr im Rahmen des Auswahlverfahrens verarbeiteten Daten informiert hat, nämlich der Tatsache, dass sie über das Internet Informationen über eine strafrechtliche Verurteilung des Klägers durch das Landgericht München eingeholt hat und diese nach eigenen Angaben auf verwertet hat. Insoweit sei auf die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10.04.2024 – 12 Sa 1007/23, dort Rn. 215 ff., verwiesen. Die Kammer macht sich die dortigen Ausführungen zu Eigen. Da es sich im hiesigen Fall bei der Beklagten nicht um einen öffentlichen Arbeitgeber handelte hielt die Kammer eine Entschädigung von 500 € vorliegend für ausreichend.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 3 ff. im Urteil festzusetzen. Bezüglich der Auskunftsansprüche nach der DSGVO war ein Betrag von 500 € und bezüglich des Feststellungsantrages ein Betrag von 5.000 € (mangels anderweitiger finanzieller Anhaltspunkte) festzusetzen. Die Zahlungsanträge waren zu addieren. Die Berufung war mangels des Vorliegens von Zulassungsgründen nach § 64 Abs. 3 ArbGG nicht gesondert zuzulassen.