Verstoß: Unerlaubte Veröffentlichung von Daten eines Arbeitnehmers
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BeschreibungDie Beklagte hatte auf ihren Dienstplänen den erkrankten Kläger jeweils mit "K" markiert, sodass andere Mitarbeiter Informationen über dessen Gesundheitszustand erhielten
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AktenzeichenArbG Berlin, Urteil vom 29.01.2025 - 48 Ca 3070/24
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Kategorie(n)Arbeitnehmer
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Betrag200 €
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Tenor:
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Schadensersatz in Höhe von 200,00 (zweihundert) Euro zu zahlen.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
IV. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.000,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über einen Schadensersatzanspruch aus der Datenschutzgrundverordnung.
Der Kläger war vom 29.04.2021 bis zum 26.04.2022 bei der Beklagten im A Restaurant am Standort B als Fahrer beschäftigt. Jedenfalls die an dem Restaurantstandort betriebsöffentlich ausgehängten Dienstpläne der Kalenderwochen 11 und 13 des Jahres 2022 enthielten den vollständigen Namen des Klägers sowie den Vermerk „K“, mit dem seine krankheitsbedingte Abwesenheit gekennzeichnet war (Blatt 73 und 74 der Akte). Der Kläger hat nicht in die Kennzeichnung seiner krankheitsbedingten Abwesenheitstage eingewilligt.
Die Beklagte hatte im streitgegenständlichen Zeitraum die Möglichkeit, Dienstpläne über die Software Girnet zu erstellen. Auf diesen Dienstplänen werden nur die Vornamen und der erste Buchstabe des Nachnamens der Arbeitnehmer ausgewiesen. Der Grund der Abwesenheit wird nicht konkretisiert, sondern jede Abwesenheit mit „OFF“ gekennzeichnet.
Der Kläger behauptet, das Markieren von Krankheitszeiten habe zu einem sozialen Druck in der Belegschaft geführt und stelle einen Kontrollverlust über die eigenen personenbezogenen Daten dar. Er habe ein ungutes Gefühl wegen der Veröffentlichung der Krankheitstage gehabt. Erkrankte Mitarbeiter, darunter auch er selbst, seien regelmäßig abwertenden Sprüchen oder Unterstellungen ausgesetzt gewesen.
Der Kläger ist der Ansicht, die Kennzeichnung der Krankheitstage mit dem Buchstaben „K“ stelle einen Verstoß gegen Artikel 5 Absatz 1 e) DSGVO in Verbindung mit § 26 BDSG dar. Die Kennzeichnung sei nicht notwendig gewesen. Bei Krankheitstagen handelte es sich darüber hinaus um besonders sensible Gesundheitsdaten gemäß Artikel 9 DSGVO. Das Gefühl des Kontrollverlustes und ein ungutes Gefühl seien ersatzfähige Schäden. Bei der Schadenshöhe zu berücksichtigen, dass es sich um sensible Gesundheitsdaten handele und der Schadensbegriff der DSGVO auch eine Abschreckung zum Ziel habe.
Mit seiner am 11.03.2024 bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am 22.03.2024 zugestellten Klage verlangt der Kläger Schadensersatz.
Der Kläger beantragt klarstellend,
die Beklagte zu verurteilen, Schadensersatz in Höhe eines in das Ermessen des Gerichts gestellten Höhe, jedoch mindestens 8.000 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 02.10.2023 an den Kläger zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, es läge kein Datenschutzverstoß vor. Der Kläger habe überdies zum Schaden nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Jedenfalls sei die Forderung von 8.000 EUR völlig überhöht.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der Kammersitzung vom 29.01.2025 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nur im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Die Kammer konnte in der Sache entscheiden. Soweit die Beklagte Schriftsatznachlass beantragt hat, war ein solcher nicht nach § 283 ZPO (Zivilprozessordnung) veranlasst. Im klägerischen Schriftsatz vom 22.01.2025 sowie in den Erklärungen des Klägers im Kammertermin vom 29.01.2025, hat der Kläger seinen bisherigen schriftsätzlichen Vortrag nur vertieft und klargestellt. Es handelt sich insoweit nicht um neues Vorbringen, da der Kläger bereits in der Klageschrift vorgetragen hat, dass die Dienstpläne seinen vollständigen Namen enthalten hätten und ein „K“ für Krankheitstage darauf vermerkt gewesen sei. Das Vorbringen des Klägers im Schriftsatz und in der Kammersitzung war zudem derart übersichtlich, dass es der Beklagten zumutbar war, darauf direkt zu reagieren.
I.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Antrag hinreichend bestimmt, § 253 Absatz 2 Nummer 2 ZPO. Zwar hat der Kläger die konkrete Summe in das Ermessen des Gerichts gestellt. Die nötige Bestimmtheit ergibt sich aber daraus, dass der Kläger die Grundlagen für die Ermessensentscheidung des Gerichts dargestellt und eine Größenordnung seiner Vorstellungen in Form eines Mindestbetrags angegeben hat (Zöller/Greger, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 253 ZPO, Randnummer 14 mit weiteren Nachweisen).
II.
Dem Kläger steht eine Entschädigung gemäß Artikel 82 Absatz 1 DSGVO zu. Unter Abwägung aller Umstände erscheint ein Betrag von 200 EUR als angemessen und ausreichend.
1. Gemäß Artikel 82 Absatz 1 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter. Diese Voraussetzungen liegen vor.
Der Kläger ist anspruchsberechtigt. Er gehört zu den von Artikel 82 Absatz 1 DSGVO geschützten betroffenen Personen im Sinne von Artikel 4 Nr. 1 DSGVO, denn er ist diejenige Person, auf die sich die verarbeiteten Daten beziehen.
Die Beklagte ist anspruchsverpflichtet. Gemäß Artikel 82 Absatz 1 Satz 1 DSGVO haftet jeder an einer Verarbeitung beteiligte Verantwortliche für den Schaden, der durch eine nicht dieser Verordnung entsprechende Verarbeitung verursacht wurde. Danach ist die Beklagte ist als juristische Person und Arbeitgeberin des Klägers Verantwortliche nach Artikel 4 Nr. 7 DSGVO, da sie die personenbezogenen Daten verarbeitet hat.
2. Die Beklagte hat gegen die Verordnung im Sinne des § 82 Absatz 1 DSGVO verstoßen, indem sie die Krankheitstage auf den Dienstplänen mit „K“ kennzeichnete.
Es war nach Artikel 5 DSGVO in Verbindung mit Artikel 9 Absatz 2 DSGVO und § 26 Absatz 1 S. 1 Alt. 2 BDSG nicht erforderlich, den Krankheitsstatus des Klägers auf den betriebsöffentlich ausgehängten Dienstplänen kenntlich zu machen. Das ergibt sich schon daraus, dass nach Vortrag der Beklagten auch im streitgegenständlichen Zeitraum Dienstpläne über eine Software generiert werden konnten, aus denen kein Abwesenheitsgrund ersichtlich war, sondern jegliche Abwesenheit mit „OFF“ gekennzeichnet wurde. Es ist auch nicht ersichtlich, dass es für die beiden Dienstpläne in den Kalenderwochen 11 und 13 des Jahres 2022 besondere Ausnahmen gegeben hätte, die das Kennzeichnen von Krankheitstagen des Klägers notwendig gemacht hätte. Es stand daher auch in diesen beiden Wochen das mildere Mittel zur Verfügung, die Abwesenheit ohne Konkretisierung des Grundes zu kennzeichnen.
Der Kläger hat auch nicht in die Verarbeitung eingewilligt.
3. Dem Kläger ist durch den Verstoß der Beklagten ein – wenn auch geringer – immaterieller Schaden entstanden.
a) Die Person, die auf der Grundlage von Artikel 82 Absatz 1 DSGVO den Ersatz eines immateriellen Schadens verlangt, muss nicht nur den Verstoß gegen Bestimmungen dieser Verordnung nachweisen, sondern auch, dass ihr durch diesen Verstoß ein solcher Schaden entstanden ist. Dabei kann grundsätzlich auch ein Kontrollverlust über die Daten einen solchen Schaden begründen. Auch die begründete Befürchtung einer missbräuchlichen Verwendung der Daten kann ausreichen (BAG, Urteil vom 20. Juni 2024 – 8 AZR 124/23 –, Rn. 13, juris, mit weiteren Nennungen). Es besteht keine Erheblichkeitsschwelle für den Schaden (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2023 – C-340/21 – Natsionalna agentsia za prihodite, Rn. 78, juris).
Besteht der Schaden in negativen Gefühlen, die für sich genommen nicht beweisbar sind, hat das Gericht die Gesamtsituation und letztlich auch die Glaubwürdigkeit der jeweiligen Klagepartei auf der Grundlage eines substantiierten Sachvortrags zu beurteilen. Steht ein Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung im Sinne von Artikel 82 Absatz 1 DSGVO nach dem Maßstab des § 286 Absatz 1 ZPO fest, mindert sich das Beweismaß bezüglich der Entstehung und der Höhe des Schadens nach § 287 Absatz 1 ZPO (BAG, Urteil vom 17. Oktober 2024 – 8 AZR 215/23 –, Rn. 12, juris; BAG 20. Juni 2024 – 8 AZR 124/23 – Rn. 16, juris, jeweils mit weiteren Nachweisen). Das Gericht hat zu prüfen, ob ein negatives Gefühl unter der Berücksichtigung der konkreten Umstände unter Zugrundelegung eines objektiven Maßstabs als begründet angesehen werden kann (BAG, Urteil vom 17. Oktober 2024 –8 AZR 215/23 –, Rn. 10, juris).
b) Nach Ansicht der Kammer ist der Kläger der ihm bezüglich des Schadens auferlegten Darlegungslast in diesem Fall gerade noch ausreichend nachgekommen. Er hat zwar lediglich negative Gefühle durch Kontrollverlust und sozialen Druck geltend gemacht ohne dabei näher in einem Beweis zugänglicher Weise zu schildern, wie sich dies geäußert habe. Soweit er in der Kammerverhandlung geschildert hat, dass Kollegen ihm gegenüber abfällige Bemerkungen gemacht hätten, war dies nicht zu berücksichtigen, weil die Schilderung nicht hinreichend substantiiert ist. Der Kläger hat nicht konkret beschrieben, wann, wo und vom wem diese Bemerkungen gemacht worden seien, sodass kein Beweis über diese Behauptung erhoben werden könnte. Da die Dienstpläne aber im Betrieb ausgehängt waren, wo sie von Kollegen des Klägers während seiner Krankheit fotografiert wurden, hat die Kammer es im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung für plausibel befunden, dass durch den betriebsöffentlichen Aushang tatsächlich ein unangenehmes Gefühl beim Kläger entstanden ist. Dabei hat die Kammer berücksichtigt, dass Kollegen zwar möglicherweise auch anders als durch den Dienstplan von der Erkrankung hätten erfahren können, allerdings unwahrscheinlich ist, dass der genaue Zeitraum und der Grund der Abwesenheit für sämtliche Kollegen derart leicht zu überblicken war wie durch den Aushang des Dienstplans mit markierter Krankheitszeit.
c) Der Kläger hat die Bemessung der Höhe des immateriellen Schadensersatzes in das Ermessen des Gerichts gestellt, § 287 Absatz 1 S. 1 ZPO. Unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles geht die Kammer davon aus, dass dem Kläger ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 200,00 EUR zusteht.
Dabei hat die Kammer berücksichtigt, dass der Schadenersatzanspruch, insbesondere im Fall eines immateriellen Schadens, nur eine Ausgleichsfunktion aber anders als der Kläger behauptet, keine Abschreckungs- oder Straffunktion erfüllt. Dies ist mittlerweile höchstrichterlich geklärt (vgl. BAG, Urteil vom 17. Oktober 2024 – 8 AZR 215/23 –, Rn. 9, juris, mit weiteren Nennungen). Die vom Kläger zitierten Entscheidungen, in denen deutlich höhere Beträge als Schadensersatz zugesprochen wurden, sind daher nicht mehr richtungsweisend zu berücksichtigen, da sich die Rechtsprechung seitdem weiterentwickelt hat.
Auch die Schwere des Verschuldens ist nicht zu berücksichtigen (BAG, Urteil vom 25. Juli 2024 – 8 AZR 225/23 –, Rn. 36, juris). Es wurde daher außer Acht gelassen, dass die Beklagte die Dienstpläne vorsätzlich mit der Kennzeichnung „K“ erstellte. Ebenfalls hatte die Kammer die in der Sache nachvollziehbaren und vom Kläger nicht bestrittenen Schilderungen der Beklagten außer Acht zu lassen, nach denen im streitgegenständlichen Zeitraum Dienstpläne ohne Nennung des Abwesenheitsgrunds erstellt werden konnten, dies jedenfalls seit 2024 auch so erfolgt und die Beklagte auch ansonsten durch Schulungen die Einhaltung des Datenschutzes fördert.
Schlussendlich war also darüber zu befinden, welcher Betrag als Ausgleich für ein ungutes Gefühl des Kontrollverlustes angemessen ist. Hier wurden durch Artikel 9 Absatz 1 DSGVO als besonders sensibel kategorisierte Gesundheitsdaten sämtlichen Kollegen des Betriebs mitgeteilt, wenn auch nur in sehr allgemeiner Form, nämlich der Tatsache einer Krankheit, ohne Rückschlussmöglichkeit auf eine Diagnose. Der Kläger hat jedoch nicht geschildert, dass das negative Gefühl besonders gravierende psychische oder in irgendeiner Form körperliche Auswirkungen gehabt hätte. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass die Rechtsprechung auch bei schweren körperlichen Verletzungen oft weit weniger als 8.000 EUR Schmerzensgeld zuspricht. Deswegen ist nach Ansicht der Kammer ein Betrag von 200 EUR schon im oberen Bereich dessen, was als Ausgleich für ein bloßes unangenehmes Gefühl angesehen werden kann.
4. Der Zinsanspruch ist unbegründet. Es fehlt an jeder Darlegung dazu, woraus sich ein Verzug der Beklagten seit dem 02.10.2023 ergeben soll.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 46 Absatz 2 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG), § 92 Absatz 2 Nr. 1 ZPO. Dem Kläger waren die gesamten Prozesskostenaufzuerlegen, da er fast vollständig unterlegen ist und nur 2,5% des mindestens eingeforderten Betrags zugesprochen wurden.
IV.
Der Wert des Streitgegenstandes wurde gemäß §§ 61 Absatz 1, 46 Absatz 2 ArbGG in Verbindung mit §§ 3, 5 ZPO im Urteil festgesetzt. Es war der als eingeklagte Mindestbetrag von 8.000 EUR anzusetzen.