Verstoß: Unerlaubte Datenverarbeitung, fehlende Information
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BeschreibungDie Beklagten hatte den Kläger nach einem erfolglosen Bewerbungsverfahren, gegen das der Kläger geklagt hatte, gegoogelt, und ihn nicht darüber informiert
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AktenzeichenAG Düsseldorf, Urteil vom 19.08.2025 – 42 C 61/25
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Kategorie(n)Arbeitnehmer, Sonstige Probleme
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Betrag250 €
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AG Düsseldorf, Urteil vom 19.08.2025 – 42 C 61/25
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 250,- € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. November 2024 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 75 % und die Beklagte zu 25 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beklagte suchte im August 2023 einen Sachbearbeiter für die Bereiche Kreditmanagement und Forderungsmanagement.
Der Kläger hat bewarb sich am 28. August 2023 auf diese ausgeschriebene Stelle.
Im Zuge eines Verfahrens vor dem Arbeitsgericht Berlin – 2 Ca 12410/23 – berief sich die Beklagte unter anderem auf Recherchen über den Kläger, die sie im Internet vorgenommen hatte. Zuvor hatte der Kläger herüber keine Kenntnis.
In einem Schriftsatz der Beklagten vom 18. Dezember 2023 in dem vorgenannten Verfahren heißt es u.a.:
…“
Angefügt waren Screenshots aus einer Internetrecherche, wegen deren Einzelheiten auf Bl. 16 GA Bezug genommen wird.
Der Kläger ist der Auffassung:
Die Beklagte habe dadurch, dass sie den Kläger nicht umgehend über die erfolgte Internetrecherche informiert habe, gegen die Datenschutz-Grundverordnung verstoßen. Ob das „Googeln“ von Bewerbern durch einen nicht-öffentlichen Arbeitgeber überhaupt zulässig sei, dürfte zumindest zweifelhaft sein. Die Beklagte wäre jedenfalls verpflichtet gewesen, den Kläger über den Umstand, dass sie ihn gegoogelt hat, proaktiv zu informieren. Denn die Grundsätze einer fairen und transparenten Datenverarbeitung machten es erforderlich, dass die betroffene Person über die Existenz einer Verarbeitung ihrer Daten und die entsprechenden Zwecke der Datenverarbeitung unterrichtet wird.
Die Beklagte habe dem Kläger letztlich jede Möglichkeit genommen, zu den im Internet erhobenen Informationen Stellung zu nehmen. Gerade in diesem konkreten Kontext werde eine Informationserteilung relevant, die „spätestens“ zum Zeitpunkt der ersten Offenlegung erfolgt. Die Information müsse so rechtzeitig vor der Offenlegung erfolgen, dass der betroffenen Person eine angemessene Reaktionszeit verbleibe, innerhalb derer sie die weiteren Rechte aus den Artikeln 16 ff. DSGVO ausüben oder zumindest Stellung nehmen kann.
Durch ihr Vorgehen habe die Beklagte dem Kläger jede Möglichkeit genommen, vor einer Offenlegung und Einführung der unrichtigen Informationen aus dem Internet in das arbeitsgerichtliche Verfahren Stellung zu nehmen und die Offenlegung der Informationen so zu verhindern. Hätte die Beklagte den Kläger ordnungsgemäß informiert, hätte der Kläger vor allem von seinem Recht auf Einschränkung der Verarbeitung der Informationen aus Artikel 18 DSGVO Gebrauch gemacht. Dieses Recht bestehe insbesondere dann, wenn die Richtigkeit der personenbezogenen Daten von der betroffenen Person bestritten werde.
Der Kläger beantragt.
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger immateriellen Schadenersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, einen Betrag von 1.000,- € aber nicht unterschreiten sollte, nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung:
Es sei zu berücksichtigen, dass zum Zeitpunkt des angeblichen Rechtsverstoßes zwischen dem Kläger und der Beklagte kein Verhältnis „Bewerber -potenzieller Arbeitgeber“ bestand habe. Zum Zeitpunkt des angeblichen Rechtsverstoßes hätten sich der Kläger und die Beklagte in einem gerichtlichen Streitverhältnis befunden. Die Bewerbung des Klägers bei der Beklagten sei bereits zwei Monate vor der Klageerhebung abgelehnt gewesen. Die personenbezogenen Daten des Klägers habe die Beklagte einen Monat vor der Klageerhebung gelöscht, worüber der Kläger auch informiert worden sei. Der Beklagten hätten zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage im November 2023 nur die vom Kläger im Rahmen des Rechtsverfahrens übermittelten personenbezogenen Daten vorgelegen.
Die Recherche des Namens des Klägers im Internet habe einem legitimen Interesse, nämlich der Verteidigung gegen die Klage und der Einschätzung des Klägers als potenziellen Serienabmahner gedient. Ein berechtigtes Interesse bestehe, wenn ein beklagtes Unternehmen zur Abwehr von möglichen missbräuchlichen Klageabsichten den Namen des Klägers online recherchiere. Es seien keine für den Schutz der personenbezogenen Daten des Klägers weniger einschneidende aber ebenso effektive Maßnahmen ersichtlich, die der Beklagten helfen könnten abzuklären, ob möglicherweise rechtsmissbräuchliche Ansprüche gegen sie geltend gemacht wurden. Zudem sei die Recherche eine einmalige Handlung zur Verteidigung gegen die Klage und nicht Teil einer systematischen Datenerhebung oder -verarbeitung gewesen. Die Interessen des Klägers würden hier nicht überwiegen, zumal er sich bewusst dafür entschieden habe, die Beklagte zu verklagen, und damit das Risiko in Kauf genommen habe, dass die Beklagte versucht, im Internet Informationen über ihn einzuholen. Im Übrigen habe sich die Recherche auf frei zugängliche Informationen im Internet beschränkt
Die Informationspflicht entfalle, wenn die Bereitstellung dieser Information die Verwirklichung der Zwecke der Verarbeitung unmöglich mache oder ernsthaft beeinträchtige. Diese Ausnahme greife insbesondere dann, wenn die Offenlegung der Datenverarbeitung den legitimen Interessen des Verantwortlichen in erheblicher Weise entgegenstehe. In diesem Fall sei die Ausnahme anzuwenden, da die Information des Klägers über die Recherche die Verteidigung der Beklagten im Verfahren vor dem Arbeitsgericht Berlin erheblich beeinträchtigen würde. Die DSGVO verlange in einem laufenden Verfahren keine kontinuierliche Unterrichtung des Klägers über den Stand der Ermittlungen oder Verteidigungsstrategie. Insbesondere in laufenden Gerichtsverfahren bestehe kein gesetzliches Erfordernis, den Kläger über interne Informationen zur rechtlichen Abwehr seiner Klage zu informieren.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist teilweise begründet.
Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten ein Zahlungsanspruch in Höhe von 250,- € aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu.
Die Internetrecherche der Beklagten stellt bereits eine Datenverarbeitung i.S.d. Art. 4 Nr. 2 DSGVO dar (vgl. LAG Düsseldorf, Urteil vom 10. April 2024 – 12 Sa 1007/23).
Das Gericht erachtet dabei die Datenerhebung als solche im konkreten Fall trotz der fehlenden Einwilligung des Klägers (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit a DSGVO) für rechtmäßig.
Grundlage für die Datenerhebung ist Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit f DSGVO.
Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f DSGVO erlaubt die Verarbeitung von Daten, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen.
Die Beklagte hat vorliegend den Namen des Klägers im Zusammenhang mit einem gerichtlichen Verfahren als Beklagter „gegoogelt“, um Erkenntnisse über dessen Person zu erlangen.
Das Gericht hält eine solche Maßnahme im Rahmen einer Rechtsverteidigung zumindest im vorliegenden Fall für sinnvoll und erforderlich, zumal vorliegend die Beklagte hierdurch Erkenntnisse erlangt hat, die möglicherweise für den Ausgang des Verfahrens von Bedeutung sein würden.
Dem stehen überwiegende Interessen des Klägers nicht entgegen. Es handelt sich bei den Erkenntnissen aus einer Google-Recherche um solche aus allgemein zugänglichen Quellen. Sofern sich dort abwertende Kommentare oder Beiträge über den Kläger befinden, führt dies nicht zu einem überwiegenden Interesse desselben.
Zum Einen ist dem Nutzer einer entsprechenden Erkenntnisquelle vorab nicht bekannt, zu welchen Ergebnissen die Recherche führt. Außerdem hat er keinen Einfluss auf den Inhalt.
Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Recherche im Geheimen ablaufen darf. Weiterer Schutzmechanismus sind die Informationspflichten aus Art. 14 DSGVO (LAG Düsseldorf, a.a.O. unter Hinweis auf Solmecke in Hoeren/Sieber/Holznagel, Handbuch Multimediarecht, 60. EL Stand Oktober 2023, Teil 21.1 Social Media Rn. 64).
Die Beklagte ist der Informationspflicht aus Art. 14 DSGVO nicht nachgekommen. Die Beklagte hat dem Kläger nicht die Kategorien der personenbezogenen Daten i.S.d. Art. 14 Abs. 1 lit. d DSGVO, die sie verarbeitet hat, mitgeteilt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte erstmals in dem hier in Rede stehenden Verfahren vor dem Arbeitsgericht die Recherche vorgenommen hat. Selbst wenn dies der Fall wäre, wäre es nach Auffassung des Gerichts nicht ausreichend, dass die Mitteilung in einem Schriftsatz, der sich in erster Linie an das Gericht richtet, erfolgt. Vielmehr hätte dies unmittelbar gegenüber dem Kläger erfolgen müssen, und zwar unmittelbar nach der Durchführung der Recherche.
Der Kläger hat durch die nicht erfolgte Information gemäß Art. 14 Abs. 1 lit. d DSGVO auch einen immateriellen Schaden erlitten.
Ein Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens des Klägers scheidet nicht deshalb aus, weil es hier um einen bloßen Verstoß gegen die Bestimmungen der DSGVO geht, der alleine nicht zur Begründung des Schadensersatzes ausreicht.
Der bloße Verstoß gegen die Bestimmungen dieser Verordnung reicht zwar nicht aus, um einen immateriellen Schadensersatzanspruch zu begründen. Die betroffene Person hat nachzuweisen, dass der Verstoß gegen die DSGVO für sie negative Folgen gehabt hat, welche einen immateriellen Schaden darstellen. Dabei ist aber nicht Voraussetzung, dass der der betroffenen Person entstandene immaterielle Schaden einen bestimmten Grad an Erheblichkeit erreicht hat (EuGH 04.05.2023 – C 300/21, juris Rn. 43 ff., 50, 51). Der Nachteil muss weder spürbar noch die Beeinträchtigung „objektiv“ sein. Diese Auslegung ergibt sich aus dem dritten Satz des 146. Erwägungsgrundes der DSGVO, in dem es heißt, dass „[d]er Begriff des Schadens … im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs weit auf eine Art und Weise ausgelegt werden [sollte], die den Zielen dieser Verordnung in vollem Umfang entspricht“. Dies steht mit den Zielen der DSGVO im Einklang, namentlich demjenigen, innerhalb der Union ein gleichmäßiges und hohes Niveau des Schutzes natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zu gewährleisten (vgl. LAG Düsseldorf, a.a.O. unter Hinweis auf EuGH 14.12.2023 – C-456/22, juris Rn. 20).
Dabei hat der Europäische Gerichtshof klargestellt, dass der Unionsgesetzgeber unter den Schadensbegriff insbesondere auch den bloßen „Verlust der Kontrolle“ über die eigenen Daten infolge eines Verstoßes gegen die DSGVO fassen wollte, selbst wenn konkret keine missbräuchliche Verwendung der betreffenden Daten zum Nachteil dieser Personen erfolgt sein sollte. Zur Begründung hat er auf den ersten Satz des 85. Erwägungsgrundes der DSGVO verwiesen. Dort wird in einer beispielhaften Aufzählung von möglichen materiellen oder immateriellen Schäden explizit der Verlust der Kontrolle über die eigenen personenbezogenen Daten genannt (vgl. LAG Düsseldorf, a.a.O. unter Hinweis auf EuGH 14.12.2023 – C-340/21, juris Rn. 74-86).
Bei der Bemessung des immateriellen Schadensersatzanspruchs ist als einem wichtigen Faktor auf die Intensität der Persönlichkeitsrechtsverletzung abzustellen (LAG Düsseldorf, a.a.O.).
In den „gegoogelten“ Beiträgen wird dem Kläger „…“ … unterstellt … (vgl. Bl. 16 GA). Die Datenverarbeitung betraf dementsprechend deutlich negative Werturteile mit Tatsachenkern. Dies beeinträchtigt den Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Es liegt insoweit auch ein Kontrollverlust auf Seiten des Klägers vor.
Das Gericht hält vorliegend allerdings lediglich einen immateriellen Schadensersatz von 250,- € für angemessen.
Ausschlaggebend hierfür ist Folgendes:
Das LAG Düsseldorf, a.a.O. hat in dem von ihm zu entscheidenden Fall einen immateriellen Schadensersatzanspruch von 1.000,- € zugesprochen. Dem lag allerdings zugrunde, dass das Ergebnis einer Google-Recherche, nämlich eine nicht rechtskräftige Verurteilung eines Bewerbers wegen gewerbsmäßigen Betruges im Zusammenhang mit vermeintlichen Scheinbewerbungen auf diverse ausgeschriebenen Arbeitsstellen zum Zwecke der Gewinnerzielung durch die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen Verstößen gegen die DSGVO und andere Vorschriften. Dementsprechend hatte die Recherche unmittelbaren (Mit-) Einfluss auf das Ergebnis eines Bewerbungsverfahrens.
Im vorliegenden Fall ist demgegenüber die Recherche während eines laufenden Rechtsstreits zur Wahrnehmung berechtigter Interessen, nämlich zur Verteidigung gegen einen geltend gemachten Schadensersatzanspruch erfolgt.
Die Recherche hatte dementsprechend für den Kläger anders als in dem vorgenannten Rechtsstreit keine Außenwirkung außerhalb des Rechtsstreits.
Vor diesem Hintergrund ist die immaterielle Beeinträchtigung des Klägers als wesentlich geringer zu bewerten.
Außerdem ist nach Auffassung des Gerichts zu berücksichtigen, dass der Kläger nach eigenen Angaben bereits eine Vielzahl von vergleichbaren Verfahren, die ungefähr ungefähr zu beziffern er sich im Verhandlungstermin weigerte, geführt hat.
Unter diesen Umständen dürfte ein Datenschutzverstoß für ihn eine wesentlich geringere Strahlkraft haben als bei einem Durchschnitts-Gegoogeltem.
Unter diesen Umständen erscheint eine Entschädigung von 250,- € als ausreichend.
Dem Anspruch steht im konkreten Fall der Einwand des Rechtsmissbrauchs nicht entgegen. Selbst wenn der Kläger sich rechtsmissbräuchlich beworben haben sollte, ändert dies nichts daran, dass es der Beklagten verwehrt war, über ihn unter Verstoß gegen die DSGVO Daten zu erheben.
Der zuerkannte Zinsanspruch beruht auf § 291BGB.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92, 709 Nr. 11. 711 ZPO.
Das Gericht hält es für angebracht, die Berufung zuzulassen, da das Vorliegen einer höhergerichtlichen zivilgerichtlichen Entscheidung zu der Frage, ob das „Googeln“ während eines gerichtlichen Verfahrens ohne Wahrung der Informationspflicht aus Art. 14 DSGVO einen immateriellen Schadensersatzanspruch zu begründen vermag, nicht ersichtlich ist.