Skip to main content

Verstoß: Unvollständige Auskunft entgegen Art. 15 DSGVO

  • Beschreibung
    Die Klägerin forderte als Arbeitnehmerin Auskunft über zwei verschiedene Sachverhalte. Beide wurden offensichtlich unvollständig beantwortet. Das Gericht sprach pro unvollständiger Auskunft 1000 Euro Schmerzensgeld zu.
  • Aktenzeichen
    LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.11.2021 – 10 Sa 443/21
  • Kategorie(n)
    Arbeitnehmer
  • Betrag
    2000 €

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 21. Januar 2021 – 27 Ca 11237/19 teilweise abgeändert:

a) die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Entschädigung in Höhe von 2.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.12.2020 zu zahlen.

b) die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten der Berufung tragen der Kläger zu 75 % und die Beklagte zu 25 %.

III. Der Gebührenwert für das Berufungsverfahren wird auf 13.500,00 EUR festgesetzt.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über eine Entschädigung nach Art. 82 DSGVO.

Der Kläger ist 62 Jahre alt und war vom 1. Januar 1997 bis 30. April 2021 bei der Beklagten als Koch beschäftigt.

Der Kläger hat die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 22. Juli 2019 unter Fristsetzung bis zum 26. August 2019 zur Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO zu zwei Vorgängen aufgefordert.

„Sie sprachen gegenüber unserer Mandantschaft eine Versetzung aus. Diese weisen wir als unzulässig zurück. Über die erfolgte Betriebsratsanhörung nebst Zustimmung ist vollumfänglich Auskunft nach Art. 15 DSGVO zu erteilen. Die Versetzung ist zurückzunehmen.

Des Weiteren sprachen Sie unter dem 29.05.2019 eine Abmahnung aus. Diese erfolgte zu Unrecht und ist nebst dem dazugehörigen Schriftverkehr aus der Personalakte unserer Mandantschaft zu entfernen. Der von ihnen dargestellte Sachverhalt trifft nicht zu. Am 05.05.2019 erhielt unsere Mandantschaft einen Anruf einer namentlich nicht bekannten Pflegehelferin, die sich äußerst unangemessen über abgelaufenen Portionsquark und Camembert-Ecken beschwerte.

Unsere Mandantschaft erwiderte, dass sie diese gerade nicht an die Bewohner ausgeben soll und umgehend entsorgen möge. Sie erwiderte, dass sie das bei sich zu Hause nicht machen würde, aber dies hier erforderlich sei und legte ohne weiteres auf. Auch wurde kein abgelaufenes Lebensmittel durch unsere Mandantschaft herausgegeben. Die von ihnen erwähnte Wohnbereichsleiterin war, soweit erinnerlich, an diesem Tage überhaupt nicht im Dienst und kann daher keine Aussagen treffen. Inwieweit in den Wohnbereichen nicht verbrauchte Lebensmittel gelagert und später ausgegeben werden, unterliegt nicht der Kontrolle unserer Mandantschaft.

Auf der Herr A war an diesem Tage nicht im Hause und hat sich ganz sicher nicht den vermeintlich abgelaufenen Quark oder den Camembert angesehen. Gegenteiliges werden diese Personen auch in einem etwaigen Klageverfahren nicht bezeugen können.

Auch bezüglich dieses Vorfalles fordern wir sie gem. Art. 15 DSGVO zur Auskunft über alle unsere Mandantschaft betreffenden Daten auf.“

Darauf hat die Beklagte mit Schreiben vom 23. August 2019 unter Beifügung mehrerer Unterlagen geantwortet:

Sie machen mit Ihrem Schreiben einen Auskunftsanspruch nach Art. 15 Datenschutzgrundverordnung (i.F. DSGVO), mit dem Sie bezüglich der ausgesprochenen Versetzung „über die erfolgte Betriebsratsanhörung nebst Zustimmung […] vollumfänglich Auskunft“ sowie bezüglich der ausgesprochenen Abmahnung für den Vorfall vom 05.05.2019 „Auskunft über alle unsere Mandantschaft betreffenden Daten“ fordern, geltend. Diesbezüglich erlauben wir uns wie folgt Stellung zu nehmen:

I.

Hinsichtlich der Versetzung Ihres Mandanten in das Objekt B Residenz C, 10249 Berlin weisen wir Sie darauf hin, dass wir die Versetzung aufrechterhalten. Eine Kopie der Betriebsratsanhörung und der Betriebsratszustimmung liegt unserem Schreiben bei.

II.

Hinsichtlich der Abmahnung vom 29.05.2019 weisen wir Sie darauf hin, dass der von Ihrem Mandanten geschilderte Sachverhalt unzutreffend ist. Zudem wurde in der ausgesprochenen Abmahnung entgegen Ihrer Behauptung eine „Wohnbereichsleiterin“ mit keinem Wort erwähnt, sondern lediglich die „Wohnbereichsleitung“. Obgleich die Wohnbereichsleiterin am 05.05.2019 tatsächlich nicht im Dienst war, ändert dies nichts an dem Umstand, dass es an dem besagten Tag dennoch eine Wohnbereichsleitung gab. Ferner verkennen Sie, dass Herr R. A in der Abmahnung nicht als Zeuge benannt wurde, sondern lediglich auf seine Stellungnahme Bezug genommen wurde. Eine Kopie der Stellungnahme einschließlich des Logbucheintrags – welchen wir jedoch aus datenschutzrechtlichen Gründen um die nicht den Vorfall vom 05.05.2019 betreffenden Passagen geschwärzt haben – liegt unserem Schreiben bei. Ein Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, in der Abmahnung gegenüber dem Arbeitnehmer die Beweismittel für die begangene Pflichtverletzung anzugeben. Da der Vorfall vom 05.05.2019 durch uns aufgeklärt wurde und die durch Ihren Mandanten begangene und abgemahnte Pflichtverletzung durch uns ohne weiteres nachgewiesen werden kann, bedarf es keiner weiteren Auseinandersetzung mit der unzutreffenden Sachverhaltsschilderung ihres Mandanten. Gleichwohl werden wir die Stellungnahme Ihres Mandanten zu dessen Personalakte nehmen.

Zur Begründung des Anspruchs hat der Kläger erstinstanzlich ausgeführt, dass die Beklagte mit Schreiben vom 22. Juli 2019 zur Auskunftserteilung nach Art. 15 DSGVO bezüglich der Betriebsratsanhörung nebst Zustimmung sowie bezüglich des Vorfalls vom 5. Mai 2019 aufgefordert worden sei und die Beklagte dem nicht bzw. nicht vollständig nachgekommen sei.

Hierdurch sei der Kläger weiterhin über wesentliche Faktoren der Datenverarbeitung im Dunkeln geblieben. Die Beklagte schulde wegen der Verweigerung zur Auskunftserteilung Schadenersatz gem. Art. 82 DSGVO. Der Anspruch werde hilfsweise aus vertraglicher, hierzu hilfsweise vertragsähnlichen, hierzu hilfsweise deliktischer Haftung geltend gemacht. Ein Schadenersatzanspruch in Höhe von monatlich 250,00 EUR je Verstoß sei jedenfalls angemessen. Der Verstoß halte weiterhin an und dauere nunmehr bereits mehr als 16 Monate. Durch die monatelang verspätete Auskunft sei der Kläger im Ungewissen und ihm die Prüfung verwehrt, ob und wie die Beklagte seine personenbezogenen Daten verarbeite.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 21. Januar 2021, soweit für die Berufung relevant, die Klage abgewiesen.

Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung wegen der Verletzung von Auskunftsrechten des Klägers durch die Beklagte.

Insbesondere folge ein solcher Anspruch – entgegen der Ansicht des Klägers – nicht aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Zwar würde Art. 82 Abs. 1 DSGVO im nationalen Recht wohl unmittelbar Anwendung finden. Auch sei die Beklagte als für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Klägers Verantwortliche im Sinne von Art. 4 Ziff. 7 DSGVO. Allerdings könne der Beklagten die Verletzung einer Auskunftsverpflichtung nach Art. 15, 12 DSGVO nicht vorgeworfen werden.

Nach Art. 15 DSGVO habe eine betroffene Person ein Auskunftsrecht hinsichtlich der sie betreffenden personenbezogenen Daten, die von dem Verantwortlichen erhoben worden seien.

In den Fällen, in denen der Verantwortliche eine große Menge an Daten über die betroffene Person verarbeite, könne die betroffene Person zwar grundsätzlich auch einen allgemeinen und umfassenden Auskunftsanspruch geltend machen. In der Regel werde dies jedoch nicht in ihrem Interesse sein; vielmehr werde es in der Regel – wie hier – um Auskünfte über eingegrenzte Bereiche/Sachverhalte gehen. In diesem Fall habe die betroffene Person ihr Auskunftsbegehren nach Auffassung der Kammer allerdings grundsätzlich zu konkretisieren. Dies ergebe sich aus dem Erwägungsgrund 63 zur DSGVO, der hierzu ausführe:

„Verarbeitet der Verantwortliche eine große Menge von Informationen über die betroffene Person, so sollte er verlangen können, dass die betroffene Person präzisiert, auf welche Informationen oder welche Verarbeitungsvorgänge sich hier Auskunftssuchen bezieht, bevor er ihr Auskunft erteilt.“

Das Problem, dass ein Arbeitgeber im Verlaufe eines Arbeitsverhältnisses eine Vielzahl von personenbezogenen Daten über Arbeitnehmer erhebe, könne nach Auffassung der Kammer nur über eine Art „abgestufte Anspruchs- und Erfüllungslast“ gelöst werden. Hierbei habe der Arbeitnehmer ein nicht komplett allgemein gehaltenes, sondern zielgerichtetes Auskunftsbegehren zunächst jedenfalls so weit zu präzisieren, dass der Arbeitgeber erkennen könne, was dessen Gegenstand sein solle. Diesen Anforderungen sei der Kläger in seinem Schreiben an die Beklagte vom 22. Juli 2019 nicht nachgekommen. Was genau Gegenstand der vom Kläger begehrten Auskunft sei, könne dem Schreiben nicht mit hinreichender Bestimmtheit entnommen werden.

Soweit der Kläger – im Zusammenhang mit der Frage der Zulässigkeit der Versetzung – Auskunft über „die erfolgte Betriebsratsanhörung nebst Zustimmung nach Art. 15 DSGVO“ verlange, sei bereits unklar, was genau Ziel des Auskunftsbegehrens sei. Der Zusammenhang mit der Versetzung spreche dafür, dass es dem Kläger um die Überprüfung des Mitbestimmungsverfahrens gehe. Auch der Wortlaut, er wolle Auskunft über „die erfolgte Betriebsratsanhörung“ sei darauf gerichtet, Näheres über den Inhalt des Mitbestimmungsverfahrens zu erfahren und nicht darüber, ob und inwieweit es (im Zusammenhang mit der Betriebsratsanhörung) zur Verarbeitung personenbezogener Daten des Klägers gekommen sei.

Das weitere Auskunftsbegehren auf Seite 2 des Schreibens vom 22. Juli 2019 „bezüglich dieses Vorfalles“ sei nicht hinreichend bestimmt. Welcher Vorfall gemeint sei, sei nicht genau erkennbar. Denn dem Auskunftsbegehren gingen drei Absätze voraus, die mehrere Geschehnisse in Bezug nähmen. Zudem könne davon ausgegangen werden, dass die auf die Verletzung der Auskunftspflicht nach Art. 15 DSGVO gestützte Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs auch rechtsmissbräuchlich sei. Denn die Beklagte habe das Schreiben des Klägers vom 22. Juli 2019 binnen der Frist des Art. 12 Abs. 3 S. 1 DSGVO beantwortet. Zwar habe sie dort keine umfassenden Auskünfte über die Verarbeitung personenbezogener Daten des Klägers erteilt. Jedoch habe sie dem Kläger eine Kopie der Betriebsratsanhörung nebst Zustimmung sowie der Stellungnahme des Herrn A gesandt und auf das Vorbringen des Klägers erwidert.

Bis zur Klageerweiterung vom 21. Dezember 2020 habe der Kläger nicht erkennen lassen, dass er sein Auskunftsbegehren nicht als erfüllt ansehe. Gerade angesichts der wenig präzisen Formulierung der Auskunftsbegehren hätte es dem Kläger oblegen, diese jedenfalls nach Erhalt des Schreibens vom 23. August 2019 zu präzisieren oder jedenfalls in irgendeiner Form erkennen zu geben, dass er seine Auskunftsforderungen nicht als erfüllt ansehe. Soweit der Kläger sich zur Begründung seines Schadensersatzanspruchs hilfsweise auf vertragliche, vertragsähnliche und deliktische Haftung berufe, fehle es an jeglichem Sachvortrag oder einer nachvollziehbaren Begründung hierzu.

Gegen dieses dem Klägervertreter am 23. Februar 2021 zugestellte Urteil hat dieser rechtzeitig Berufung eingelegt und diese auch rechtzeitig begründet. In der Berufungsbegründung hat der Kläger dazu ausgeführt, dass keine Tatsachen ersichtlich seien, dass die Beklagte große Mengen an Daten über den Kläger verarbeite. Auch eine vorherige Präzisierung des Begehrens stehe der Sinn und Zweck des Auskunftsbegehrens entgegen. Auch bedürfe es keines besonderen Ziels des Auskunftsbegehrens. Das Ziel sei dem Gesetzestext bereits immanent. Dass das zweite Begehren die Abmahnung vom 29. Mai 2019 betroffen habe, sei offensichtlich. Es sei auch falsch anzunehmen, dass die Beklagte nicht habe erkennen können, dass der geltend gemachte Anspruch nicht erfüllt sei. Einem Schuldner müsse vor Klageerhebung nicht noch einmal mitgeteilt werden, dass der Anspruch nicht erfüllt sei.

Der Kläger und Berufungskläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 21. Januar 2021 – 27 Ca 11237/19 teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Entschädigung zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber einen Betrag von 8.000,00 EUR nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte erwidert, dass sie berechtigt gewesen sei, das Auskunftsbegehren des Klägers auszulegen, um den mutmaßlichen Willen des Klägers zu ermitteln. Sofern der Kläger meine, dass mit dem Schreiben vom 23. August 2021 der Anspruch nicht erfüllt sei, hätte die Rücksichtnahmepflicht des Klägers nach § 241 Abs. 2 BGB bzw. dessen Treuepflicht verlangt, dass er auf die unzureichende Auskunft hingewiesen hätte.

Der Anspruch sei durch das Schreiben vom 23. August 2021 auch erfüllt. Im Übrigen verteidigt die Beklagte die angefochtene Entscheidung.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung des Klägers vom 21. Mai 2021 sowie den Inhalt der Berufungsbeantwortung der Beklagten vom 22. Juli 2021 sowie das Sitzungsprotokoll vom 18. November 2021 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 Zivilprozessordnung (ZPO) eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung des Klägers ist aber nur teilweise begründet.

Zutreffend hat die Beklagte in der Berufungserwiderung die jeweiligen Prüffragen für den geltend gemachten Anspruch aufgeworfen.

1. Liegt ein Verstoß gegen Art. 15 DSGVO vor?

2. Ist die Beklagte für einen etwaigen Verstoß verantwortlich?

3. Ist beim Kläger ein Schaden entstanden?

4. Gibt es eine Kausalität zwischen einem etwaigen Verstoß der Beklagten gegen Art. 15 Abs. 1 DSGVO und einem etwaigen beim Kläger eingetretenen Schaden?

5. Trifft den Kläger ein etwaiges Mitverschulden bzw. ist der etwaige Anspruch verwirkt oder rechtsmissbräuchlich geltend gemacht?

6. Ist ggf. die geltend gemachte Entschädigungssumme angemessen?

1.

Nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO hat der Kläger grundsätzlich das Recht, von der Beklagten eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie ihn betreffende personenbezogene Daten verarbeitet und ggf. auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und u.a. auf folgende Informationen:

a) die Verarbeitungszwecke;

b) die Kategorien personenbezogener Daten, die verarbeitet werden;

c) die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, insbesondere bei Empfängern in Drittländern oder bei internationalen Organisationen;

d) falls möglich die geplante Dauer, für die die personenbezogenen Daten gespeichert werden, oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien für die Festlegung dieser Dauer;

e) das Bestehen eines Rechts auf Berichtigung oder Löschung der sie betreffenden personenbezogenen Daten oder auf Einschränkung der Verarbeitung durch den Verantwortlichen oder eines Widerspruchsrechts gegen diese Verarbeitung;

f) das Bestehen eines Beschwerderechts bei einer Aufsichtsbehörde;

g) wenn die personenbezogenen Daten nicht bei der betroffenen Person erhoben werden, alle verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten;

Diese Informationen hat die Beklagte dem Kläger nur teilweise erteilt.

2.

Es mag sein, dass die Beklagte große Mengen Daten über den Kläger verarbeitet hat. Konkrete Angaben dazu hat die Beklagte nicht gemacht. Anders als das Arbeitsgericht meint, ist das in diesem Fall aber auch unerheblich, da der Kläger keine generelle Auskunft hinsichtlich der von der Beklagten über ihn gespeicherten Daten verlangt hat, sondern beschränkt auf zwei Sachverhalte.

2.1

Zum einen ging es um die Anhörung des Betriebsrates und dessen Zustimmung. Durch die Bezugnahme auf Art. 15 DSGVO war aber in jedem Fall klar und eindeutig, dass der Kläger nicht nur um das Anhörungsschreiben der Arbeitgeberin und das Antwortschreiben des Betriebsrates ging, sondern zugleich auch um die in der Vorschrift genannten weiteren Aspekte. Mit der erteilten Auskunft durch Übersendung der beiden Schreiben hat die Beklagte allenfalls die Auskunftspflicht nach Art. 15 Abs. 1 a) und b) DSGVO erfüllt. Den weitergehenden Anspruch nach Buchst. c) bis g) hat die Beklagte mit ihrer Antwort vom 23. August 2019 offensichtlich nicht erfüllt.

Weder hat die Beklagte mitgeteilt, ob und ggf. gegenüber welchen Personen oder Stellen sie den Versetzungsvorgang offengelegt hat oder noch offenlegen werde noch wann bzw. nach welchen Kriterien eine Löschung der Daten erfolgen werde. Auch auf das Bestehen eines Rechts auf Berichtigung oder Löschung der den Kläger betreffenden personenbezogenen Daten oder auf Einschränkung der Verarbeitung durch die Beklagte oder eines Widerspruchsrechts gegen diese Verarbeitung und das Bestehen eines Beschwerderechts bei einer Aufsichtsbehörde hat die Beklagte nicht hingewiesen. Da die Daten offenbar nicht beim Kläger erhoben worden waren, hätte es auch einer Information über die Herkunft der Daten bedurft, also wer jeweils an dem Vorgang beteiligt war.

2.2

Zum anderen ging es um die Abmahnung vom 29. Mai 2019. Auch hier hat die Beklagte durch die Übersendung des Antrags des Herrn A auf Erteilung einer Abmahnung und dem sogenannten Logbuch-Eintrag allenfalls die Auskunftspflicht nach Art. 15 Abs. 1 a) und b) DSGVO erfüllt. Den weitergehenden Anspruch nach Buchst. c) bis g) hat die Beklagte mit ihrer Antwort vom 23. August 2019 auch zu diesem Vorgang offensichtlich nicht erfüllt.

Weder hat die Beklagte mitgeteilt, ob und ggf. gegenüber welchen Personen oder Stellen sie den Abmahnungsvorgang offengelegt hat oder noch offenlegen werde noch wann bzw. nach welchen Kriterien eine Löschung der Daten erfolgen werde. Auch auf das Bestehen eines Rechts auf Berichtigung oder Löschung der den Kläger betreffenden personenbezogenen Daten oder auf Einschränkung der Verarbeitung durch die Beklagte oder eines Widerspruchsrechts gegen diese Verarbeitung und das Bestehen eines Beschwerderechts bei einer Aufsichtsbehörde hat die Beklagte den Kläger nicht hingewiesen. Da die Daten offenbar nicht beim Kläger erhoben worden waren, hätte es auch einer Information über die Herkunft der Daten bedurft, also wer jeweils an dem Vorgang beteiligt war.

3.

Dass diese Informationen fehlen, ist offensichtlich. Denn durch einen einfachen Blick in den Text des Art. 15 Abs. 1 DSGVO hätte die Beklagte feststellen können, was der Kläger von ihr verlangt. Insofern ist die Beklagte auch für die unzureichende Information und damit den Verstoß gegen Art. 15 Abs. 1 DSGVO verantwortlich.

4.

Wie der Kläger zutreffend ausgeführt hat, liegt bei ihm ein Schaden vor. Unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des LAG Niedersachsen vom 22. Oktober 2021 – 16 Sa 761/20 besteht unabhängig von dem Erreichen einer Erheblichkeitsschwelle bei Verstößen gegen Regelungen der DSGVO ein immaterieller Schadensersatzanspruch. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass gerade ausgehend von Erwägungsgrund 146 Satz 3 zur DSGVO eine weite Auslegung geboten ist, um den Zielen der Verordnung in vollem Umfang zu entsprechen. Hiermit wäre es unvereinbar, würde eine Schadensersatzpflicht nur bei erheblichen Rechtsverstößen eintreten, da dann eine Vielzahl von Fallgestaltungen denkbar wäre, in denen Betroffene trotz Verstößen gegen die Regelungen der DSGVO keine Kompensation erhielten. Ferner kann, um die Regelungen der DSGVO effektiv durchzusetzen, auch auf eine abschreckende Wirkung des Schadensersatzes abgestellt werden (vgl. EuGH 17. Dezember 2015 – C-407/14 – Rn. 44). Zudem sollen die betroffenen Personen nach Erwägungsgrund 146 Satz 3 einen vollständigen und wirksamen Schadenersatz für den erlittenen Schaden erhalten. Dass ein Schaden erlitten ist, ergibt sich nicht erst bei Überschreiten einer gewissen Erheblichkeitsschwelle – der Schwere der Pflichtverstöße und damit einhergehenden Beeinträchtigungen kann vielmehr effektiv auf Ebene der Höhe des Schadensersatzes begegnet werden.

Indem die Beklagte ihrer Auskunftsverpflichtung inhaltlich nicht hinreichend nachgekommen ist, hat der Kläger keine ausreichenden Kenntnisse über die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten erlangt. Insofern ist ein Kontrollverlust eingetreten und ihm wurde die Möglichkeit der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten unmöglich gemacht oder erschwert.

5.

Die Kausalität zwischen der unzureichenden Auskunft der Beklagten und der Ungewissheit beim Kläger, welche Daten bei der Beklagten bezüglich der zwei konkret benannten Sachverhalte verarbeitet worden sind, liegt auf der Hand. Es bedurfte keines ergänzenden Auskunftsverlangens, da allein der Blick in den Verordnungstext ausreicht, um die Unvollständigkeit der Auskunft zu erkennen.

6.

Der Anspruch des Klägers ist auch nicht verwirkt oder aus anderem Grunde rechtsmissbräuchlich geltend gemacht worden. Zwar ist es ungewöhnlich, dass der Kläger bereits mit der Klageschrift sein Schreiben vom 22. Juli 2019 und das Antwortschreiben der Beklagten vom 23. August 2019 eingereicht hat, ohne diesbezüglich einen Streitgegenstand hinsichtlich Art. 15 DSGVO zu eröffnen. Dadurch mag ein für die Verwirkung erforderliches Zeitmoment zwischen dem 23. August 2019 und dem 21. Dezember 2020 entstanden sein. Ein darüber hinaus erforderliches Umstandsmoment ist jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich. Da sich die beiden Schreiben nicht nur mit Art. 15 DSGVO, sondern auch mit der Rückgängigmachung der Versetzung und der Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte des Klägers beschäftigten, war es für eine vollständige Sachverhaltsdarstellung erforderlich, diese der Klageschrift beizufügen. Denn in der Klageschrift ging es zunächst (nur) um diese beiden Sachverhalte.

Angesichts des offensichtlich nicht vollständig erfüllten Auskunftsanspruchs bedurfte es entgegen der Ansicht der Beklagten auch keines Hinweises des Klägers, dass der Anspruch mit dem Schreiben vom 23. August 2019 nicht erfüllt sei.

7.

Dem Kläger ist in Anbetracht der Pflichtverstöße der Beklagten nach richterlichem Ermessen gem. § 287 Abs. 1 ZPO ein immaterieller Schadensersatz in Höhe von 2.000,– Euro zuzusprechen.

Die Schadensersatzansprüche sollen, worauf auch das LAG Niedersachsen in dem Urteil vom 22. Oktober 2021 – 16 Sa 761/20 unter Bezugnahme auf Entscheidungen anderer Gerichte hingewiesen hat, generell eine Abschreckungswirkung haben. Unter Berücksichtigung des Erwägungsgrundes 146 Satz 6 zur DSGVO soll die betroffene Person einen vollständigen und wirksamen Schadensersatz für den erlittenen Schaden erhalten. Verstöße müssen effektiv sanktioniert werden. Schadenersatz bei Datenschutzverstößen sollen eine abschreckende Wirkung haben, um der Datenschutzgrundverordnung zum Durchbruch zu verhelfen.

Gemessen an der Zweckrichtung des Schadensersatzes hält die Kammer unter Berücksichtigung und Abwägung der Umstände des vorliegenden Falls einen immateriellen Schadensersatz in Höhe von 1.000,– Euro je unvollständig beantwortetem Auskunftsverlangen für angemessen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Auskunft der Beklagten offensichtlich unvollständig erfolgte. Auch nach der Klageerweiterung vom 21. Dezember 2020 hat die Beklagte die Auskunft nicht vervollständigt. Durch die unzureichende Auskunft hatte der Kläger keine umfassende Kenntnis über die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten durch die Beklagte bei zwei für ihn nachteiligen Sachverhalten (Versetzung und Abmahnung).

Durch einen Schadenersatz von jeweils 1.000,– EUR wird ausreichend sichergestellt, dass durch die Zahlung eines spürbaren Betrages der Regelung des Art. 15 DSGVO zur Geltung verholfen wird und die Verpflichteten angehalten werden, die entsprechenden Maßgaben einzuhalten.

III.

Die Kostenentscheidung folgt § 64 Abs.6 ArbGG in Verbindung mit § 92 ZPO. Die Parteien haben angesichts der vom Kläger angeregten Schadenersatzsumme von 8.000,– EUR entsprechend ihrem Anteil am Obsiegen und Unterliegen die Kosten der Berufung zu tragen.

Die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG kam nicht in Betracht, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen haben.