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Verstoß: Unerlaubte Verwendung von Video- und Fotoaufnahmen des Arbeitnehmers nach Beendigung dessen Arbeitsverhältnisses

  • Beschreibung
    Der Arbeitnehmer hatte im Rahmen des Arbeitsverhältnisses Schulungsvideos und Abbildungen erstellt, die der Arbeitgeber auch nach Ende des Arbeitsverhältnisses weiterverwendete, ohne dass dafür eine wirksame Einwilligung vorlag.
  • Aktenzeichen
    LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.7.2023 - 3 Sa 33/22
  • Kategorie(n)
    Arbeitnehmer
  • Betrag
    10000 €

Tenor

I. Auf die Berufungen des Klägers und der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Pforzheim vom 23. Februar 2022 - 5 Ca 222/21 - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufungen teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. April 2020 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Widerklage wird abgewiesen.

II. Von den erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 74 % und die Beklagte 26 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 59 % dem Kläger und zu 41 % der Beklagten auferlegt.

III. Bezüglich des Auskunftsverlangens des Klägers wird die Revision zugelassen. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt zweitinstanzlich noch die Erteilung von Auskunft nach Art. 15 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und macht immateriellen Schadensersatz wegen Verletzung der Auskunftspflicht nach Art. 15 DSGVO und wegen der Verwendung von Video- und Fotoaufnahmen mit Abbildungen von ihm nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien geltend. Die Beklagte verlangt widerklagend die Rückzahlung eines Arbeitgeberdarlehens.

Der Kläger war bis zum 30. April 2019 bei der Beklagten, einem Unternehmen der Werbetechnikbranche, als Werbetechniker im Bereich Folierung angestellt. Seit 1. Mai 2019 ist er bei einem Mitbewerber der Beklagten tätig.

Die Beklagte betreibt die „W.-S.“ und veranstaltet über dieses Format Schulungen in Sachen Folierung. Der Kläger leitete u. a. diese von der Beklagten für interne Mitarbeiter und für Externe angebotene Schulungen, wobei er besonderes Knowhow rund um das Thema „Folieren“ an die Teilnehmer weitergab.

Während des Bestands des Arbeitsverhältnisses ließ die Beklagte mit Wissen und Einverständnis des Klägers von diesem zahlreiche Fotos „bei der Arbeit“ machen und ein ca. vierminütiges Werbevideo produzieren, das den Kläger als Schulungsleiter „in Aktion“ zeigte. Unter Nutzung dieses Foto- und Videomaterials bewarb die Beklagte sodann ihre Leistungen auf der Firmenwebsite unter www…….de, www……..de, im Google My Business Account und auf der Facebook-Seite der „W.-S“.

Nach dem Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis wurden die Fotos sowie das Video durch die Beklagte zunächst weiterhin verwendet. Der Kläger richtete mehrfach WhatsApp-Nachrichten an Herrn S., seinen Ansprechpartner bei der Beklagten, mit der Aufforderung zur Löschung des streitigen Bildmaterials. Diesbezüglich wurde auch mehrfach korrespondiert. Die Beklagte kam der Aufforderung zunächst nicht nach.

Der nunmehrige Prozessbevollmächtigte des Klägers fand im Januar 2020 Folgendes seit dem 1. Mai 2019 unverändertes Bild vor: Auf der Firmenwebsite www……….de befand sich ein zentrales Werbe- und Schulungsvideo der Beklagten mit dem Kläger als Protagonisten als Schulungsleiter (Länge 4 Minuten 5 Sekunden), das auch über YouTube zu sehen war. Ferner wurde auf der verlinkten Website www……..de das streitige Werbe- und Schulungsvideo der Beklagten mit dem Kläger dargestellt. Ebenfalls war ein Foto, das den Kläger bei einer Schulungsmaßnahme klar erkennen lässt, abgebildet. Im Facebook-Account der Beklagten wurden das streitige Werbe- und Schulungsvideo mit dem Kläger dargestellt und beworben sowie insgesamt sieben Fotos mit dem Kläger „bei der Arbeit“ dargeboten. Im Google My Business Account der Beklagten fanden sich zwei Fotos mit dem Kläger in exponierter Pose zur unmittelbaren Bewerbung der Schulungsangebote der Beklagten.

Der nunmehrige Prozessbevollmächtigte des Klägers wandte sich u. a. mit Schreiben vom 22. Januar 2020 und 14. Februar 2020 an die Beklagte. Dem geltend gemachten Beseitigungsanspruch kam die Beklagte erst am 21. Februar 2020 vollumfänglich nach.

Der Kläger hat vorgetragen: Die Beklagte habe ihn im Zeitraum vom 1. Mai 2019 bis 21. Februar 2020 absichtlich und nachhaltig in empfindlichem Umfang und erheblicher Intensität in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Die Auswirkungen des Verstoßes seien für ihn wegen seiner Arbeit für einen Mitbewerber ab 1. Mai 2019 sehr empfindlich gewesen, da durch das Foto- und Videomaterial mit ihm in prominenter Darstellung klar vermittelt worden sei, dass er die Beklagte repräsentiere. Bei seinem neuen Arbeitgeber sei ihm die Bewerbung der Beklagten mit seinem Konterfei als Illoyalität unterstellt worden.

Die Beklagte habe den Kläger nicht über Umfang, Zweck sowie die Art und Weise der Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen des Arbeitsverhältnisses informiert, was einen Verstoß gegen Art. 13 DSGVO darstelle. Sie ignoriere selbst sein grundlegendes Recht auf Auskunft gem. Art. 15 DSGVO.

Aus der Nichterfüllung der Verpflichtungen gem. Art. 15 DSGVO folge auch ein Schadensersatzanspruch gem. Art. 82 DSGVO. Er werde völlig im Unklaren gelassen, was die Erhebung und Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten betreffe. Offenkundig missachte die Beklagte ihre Aufbewahrungspflichten, was sie selbst eingestehe. Der Schaden des Klägers liege darin, dass er um seine Rechte und Freiheiten gebracht werde, die ihn betreffenden personenbezogenen Daten zu kontrollieren.

Für die Nichterfüllung der Verpflichtungen gem. Art. 15 DSGVO mache er immateriellen Schadensersatz von mindestens 11.000,00 EUR geltend. Der Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO solle abschreckende Wirkung haben, wobei die Schadensbemessung unter Orientierung an Art. 83 Abs. 2 DSGVO erfolgen solle.

Die Beklagte habe den Kläger und dessen Videos/Fotos illegitim kommerzialisiert. Bei den 20 im Zeitraum vom 1. Mai 2019 bis 21. Februar 2020 zum Preis von 1.999,00 EUR pro Person angebotenen viertägigen Lehrgängen zum Erlernen von Foliertechniken, die von ca. sechs Personen je Lehrgang besucht worden seien, habe die Beklagte einen Gewinn von 7.000,00 EUR je Lehrgang kalkuliert und entsprechend vereinnahmt. Diese Lehrgänge lebten von der Sogwirkung eines erfahrenen und kompetenten Schulungsleiters, wie es der Kläger gewesen sei. Aufgrund illegitimer Verwendung des Videos und der Fotos sei von einem Schadensersatzanspruch in Höhe von mindestens 25.000,00 EUR auszugehen.

 

Der Kläger hat beantragt:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 Euro ersatzweise Ordnungshaft oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, Fotos, Videos oder sonstige Aufnahmen mit der Abbildung oder Darstellung des Klägers zu Werbezwecke zu verwenden, anderweitig zu nutzen oder an Dritte weiterzugeben, ohne dass eine ausdrückliche Einwilligung des Klägers vorliegt.
  2. Die Beklagte wird verurteilt, eine/n in das Ermessen des Gerichts gestellte/n Geldentschädigung bzw. immateriellen Schadensersatz, mindestens aber 36.000,00 EUR, nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach Rechtshängigkeit an den Kläger zu zahlen.
  3. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger schriftlich und detailliert Auskunft über sämtliche personenbezogenen Daten, die über ihn zum Anlass oder in Folge seines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten, von der Beklagten erhoben und verarbeitet wurden, vor allem unter Angabe von folgenden Informationen, zu erteilen:

- Verarbeitungszweck - die Kategorie personenbezogener Daten die verarbeitet werden bzw. wurden - Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden

- die geplante Dauer, für die die personenbezogenen Daten gespeichert werden, oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien der Festlegung dieser Dauer

- das Bestehen eines Rechts auf Berichtigung oder Löschung der sie betreffenden personenbezogenen Daten oder auf Einschränkung der Verarbeitung durch die Verantwortlichen oder eines Widerspruchsrecht durch diese Verarbeitung

- wenn die personenbezogenen Daten nicht bei der Beklagten erhoben werden bzw. wurden, alle verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten

- das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich „Profiling“ gemäß Art. 22 Abs. 1, 4 DSGVO und – zumindest in diesen Fällen – aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung für den Kläger.

               

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

               

Im Wege der Widerklage hat sie beantragt:

Der Kläger wird verurteilt, an die Beklagte einen Betrag in Höhe von 1.500,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

 

Der Kläger hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen: Sie habe sämtliche personenbezogenen Daten des Klägers gelöscht, weshalb solche bei ihr nicht mehr vorhanden seien. Der Kläger habe mit den Filmen nicht nur die Beklagte, sondern auch sich bekannt machen wollen, weshalb eine werbewirksame Verwertung sein ausdrücklicher Wunsch gewesen sei. Wegen seines ausdrücklichen Wunsches habe er auch keiner Aufklärung bedurft.

Gerade in Bezug auf das mit sehr viel Aufwand und Kosten angefertigte Schulungsvideo sei zwischen den Parteien abgestimmt gewesen, dass die Beklagte dieses auch nach Ausscheiden des Klägers weiterhin vollumfänglich mit dem Bild des Klägers nutzen könne. Der Kläger habe zunächst auch nur Beseitigung von Foto- und nicht von Videomaterial verlangt.

Da die Beklagte den Kläger trotz Beendigung seiner Tätigkeit weiter beworben habe - das Schulungsvideo zeige ihn als erfahrenen ausgewiesenen Experten -, habe sie sich eigentlich selbst - und nicht den Kläger - geschädigt, da sie Werbung mit einem ehemaligen, nun bei einem Wettbewerber angestellten Mitarbeiter gemacht habe. Der Kläger habe sich wegen seiner Eitelkeit selbst als zentrale Person und Schulungsleiter dargestellt. Er sei nunmehr auch deswegen beim Mitbewerber tätig, weil er durch die entsprechenden Schulungen und Veröffentlichungen bekannt geworden sei.

Vor dem Hintergrund des Drängens des Klägers sei - trotz möglicherweise bestehender Aufbewahrungspflichten - eine vollständige Löschung aller seiner Daten vorgenommen worden.

Die Angabe zu den behaupteten Gewinnen sei falsch.

Dem Kläger sei im Jahr 2018 ein Darlehen in Höhe von 2.000,00 EUR erteilt worden, von dem er nur 500,00 EUR zurückgezahlt habe, weshalb noch 1.500,00 EUR offen stünden.

Das Arbeitsgericht hat unter Klageabweisung im Übrigen Antrag Ziff. 2 vollständig und Antrag Ziff. 1 in Höhe von 5.000,00 EUR nebst Zinsen seit dem 22. April 2020 stattgegeben. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt:

Die Klage begegne insgesamt keinen Zulässigkeitsbedenken. Der mit Antrag Ziff. 3 verfolgte Auskunftsanspruch entspreche der Formulierung des Art. 15 DSGVO. Die Beklagte habe keinerlei Auskünfte erteilt, sondern lediglich pauschal auf eine Löschung aller Daten verwiesen. In diesem Fall sei die Wiedergabe des Wortlauts des Art. 15 DSGVO hinreichend bestimmt.

Der Unterlassungsanspruch sei mangels erforderlicher Wiederholungsgefahr unbegründet.

Die Beklagte schulde dem Kläger die Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 5.000,00 EUR. Hiervon entfielen 2.000,00 EUR auf die nicht ordnungsgemäße Erfüllung der Auskunftspflicht aus Art. 15 DSGVO. Die Beklagte habe pauschal behauptet, die entsprechenden Daten des Klägers gelöscht zu haben, jedoch keine Auskünfte über die weiteren vom Kläger geltend gemachten Aspekte erteilt. Bezüglich des Bestehens eines Entschädigungsanspruchs wegen nicht ordnungsgemäßer Erfüllung des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 DSGVO schließe sich die Kammer der Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vom 18. November 2021 (Az. 10 Sa 443/21) an. Bei Verstößen gegen Regelungen der DSGVO bestehe unabhängig vom Erreichen einer Erheblichkeitsschwelle ein immaterieller Schadensersatzanspruch. Ausgehend von Erwägungsgrund 146 Satz 3 zur DSGVO, wonach die betroffenen Personen einen vollständigen und wirksamen Ersatz für den erlittenen Schaden erhalten sollten, sei eine weite Auslegung geboten, um den Zielen der Verordnung in vollem Umfang zu entsprechen. Es könne auch auf eine abschreckende Wirkung des Schadensersatzes abgestellt werden. Ein erlittener Schaden ergebe sich nicht erst bei Überschreitung einer gewissen Erheblichkeitsschwelle. Indem die Beklagte ihrer Auskunftsverpflichtung inhaltlich nicht hinreichend nachgekommen sei, habe der Kläger keine ausreichenden Kenntnisse über die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten erlangt. Insofern sei ein Kontrollverlust eingetreten und dem Kläger sei die Möglichkeit der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten unmöglich gemacht oder erschwert worden.

Für das unvollständig beantwortete Auskunftsverlangen sei ein immaterieller Schadensersatz von 2.000,00 EUR angemessen. Der Kläger habe nicht dargelegt, dass ihm über den Streit über das Auskunftsbegehren hinaus durch die Verletzung der Auskunftspflicht ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden sei. Andererseits sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte relativ hartnäckig den Auskunftsanspruch des Klägers negiert und durch die pauschale Behauptung, alle Daten seien gelöscht, die bestehenden Auskunftspflichten offensichtlich nicht hinreichend erfüllt habe.

Der Entschädigungsanspruch wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers sei mit 3.000,00 EUR zu bewerten. Die Beklagte habe ohne schriftliche Zustimmung des Klägers dessen Fotos und insbesondere Werbeaufnahmen über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus veröffentlicht und diese zunächst auch nach Aufforderung nicht zeitnah gelöscht, sondern zumindest teilweise bis zum 21. Februar 2020 weiterhin verwendet. Hierdurch habe die Beklagte gegen Art. 17 DSGVO verstoßen. Für die Beklagte sei ersichtlich gewesen, dass der Kläger nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Veröffentlichung seines Bildnisses, sowohl auf Fotos als auch in Form von Videos, nicht mehr einverstanden gewesen sei. Der Entschädigungsanspruch des Klägers sei weder im Bagatell- noch im oberen Bereich einer schweren Persönlichkeitsverletzung anzusetzen und mit 3.000,00 EUR angemessen bewertet.

Der zuerkannte Anspruch sei gem. § 288 BGB seit Rechtshängigkeit mit dem gesetzlichen Zinssatz zu verzinsen.

Der geltend gemachte Auskunftsanspruch folge aus Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2 und Abs. 3 Satz 1 der DSGVO. Der Kläger sei zunächst berechtigt, pauschal einen entsprechenden Auskunftsanspruch geltend zu machen. Ihm könne nicht bekannt sein, welche konkreten Daten zu welchen Zwecken über ihn gespeichert wurden oder werden. Er wolle durch sein Auskunftsbegehren erst die Information erlangen, die eine genauere Bezeichnung dessen, was über den Kläger an personenbezogenen Daten gespeichert ist, ermöglichten.

Mit der Behauptung, sämtliche über den Kläger anlässlich des Arbeitsverhältnisses gespeicherten Daten seien nach dessen Beendigung gelöscht worden, könne der Auskunftsanspruch nicht zu Fall gebracht werden. Dass diese Auskunft inhaltlich unrichtig sei, zeige bereits der Umstand, dass die Beklagte im Rechtsstreit konkret zu Sachverhalten aus dem Arbeitsverhältnis vorgetragen habe. Die erteilte Auskunft sei überdies im Hinblick auf bestehende Auskunfts- und Speicherungspflichten gegenüber Sozialversicherungsträgern und Finanzamt im höchsten Maße unglaubwürdig.

Die Widerklage könne keinen Erfolg haben. Die Beklagte habe die Vereinbarung eines Arbeitgeberdarlehens und dessen konkreten Inhalt nicht darzulegen vermocht. Sie habe lediglich vorgetragen, dass Herr S. dem Kläger im August 2018 den Betrag von 2.000,00 EUR als Darlehen übergeben habe. Es fehle schon an der substanziierten Darlegung, dass dieser das Geld dem Kläger nicht als Privatperson, sondern als Vertreter des Arbeitgebers übergeben habe.

Gegen dieses den Parteien am 10. Mai 2022 zugestellte arbeitsgerichtliche Urteil richten sich die Berufung des Klägers vom 31. Mai 2022, am Montag, dem 11. Juli 2022 ausgeführt, und der Beklagten, die am 10. Juni 2022 beim Landesarbeitsgericht einging und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 8. August 2022 am 8. August 2022 begründet wurde.

Der Kläger trägt vor: Bezüglich des Verstoßes gegen sein Auskunftsrecht aus Art. 15 DSGVO habe das Arbeitsgericht zu Unrecht nur einen Betrag von 2.000,00 EUR statt der verlangten 11.000,00 EUR ausgeurteilt. Der Kläger sei im Unklaren gelassen worden, was die Erhebung und Verarbeitung all seiner personenbezogenen Daten betreffe, was als grundlegender, schwerer Verstoß zu werten sei. Der Schaden des Klägers liege darin, dass er um seine Rechte und Freiheiten gebracht werde, die ihn betreffenden personenbezogenen Daten zu kontrollieren.

Das erstinstanzliche Gericht setze sich nicht ausreichend damit auseinander, dass die Bild- und Videoaufnahmen kommerzialisiert worden seien. Die Bewerbung des Materials habe insbesondere nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien stattgefunden. Die Beklagte habe nicht bestritten, dass ihr finanzieller Vorteil unter unberechtigter Ausnutzung des Klägers 140.000,00 EUR betragen habe.

 

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Pforzheim vom 23. Februar 2022, Az. 5 Ca 222/21 im Hinblick auf Ziff. 1 des Urteilstenors aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Geldentschädigung/immateriellen Schadensersatz in Höhe von insgesamt 36.000,00 EUR, also weiteren 31.000,00 EUR über das erstinstanzliche Urteil hinaus, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. April 2020 an den Kläger zu zahlen.

 

Die Beklagte beantragt:

  1. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
  2. Unter teilweise Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Pforzheim, Az. 5 Ca 222/21 wird die weitergehende Klage des Klägers abgewiesen.

 

Widerklagend wird der Kläger verurteilt,

an die Beklagte einen Betrag in Höhe von 1.500,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

               

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

 

Die Beklagte trägt vor: Dem Anspruch auf Auskunftserteilung gem. Art. 15 DSGVO widerspreche der Grundsatz, dass der Anspruch nicht pauschal ausgedient werden dürfe. Das Arbeitsgericht verkenne auch, dass Erfüllung bereits dann eintrete, wenn die Auskunft nach dem erklärten Willen des Auskunftsschuldners den geschuldeten Gesamtumfang darstelle. Wesentlich sei die Erklärung, dass die Auskunft vollständig sei. Deren Unrichtigkeit stehe der Erfüllung nicht entgegen.

Ein Entschädigungsanspruch wegen Verletzung der Auskunftspflicht nach Art. 15 i.V.m. Art. 82 DSGVO bestehe von vornherein nicht. Ein solcher entstehe nicht allein dadurch, dass ein gesetzlich etwaig bestehender Anspruch nicht erfüllt werde, sondern es müsse ein immaterieller Schaden vorliegen. Das bloße Warten auf die Auskunft reiche hierfür nicht.

Bezüglich des Darlehensanspruchs hätte das Arbeitsgericht den erstinstanzlichen schriftsätzlichen Darlegungen der Beklagten nachgehen müssen. Wegen der Einzelheiten des diesbezüglichen Beklagtenvorbringens wird auf Bl. 113 bis 118 d. LAG-Akte Bezug genommen.

Wegen der Einzelheiten des erst- und zweitinstanzlichen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften verwiesen.

 

Entscheidungsgründe  

A.

Die Berufungen des Klägers und der Beklagten sind form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Berufung des Klägers ist insgesamt zulässig, die der Beklagten teilweise.

 

I.

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie richtet sich gegen die teilweise Abweisung der Klage mit Ausnahme der Abweisung des Unterlassungsantrags. Insofern akzeptiert der Kläger die erfolgte Klagabweisung. Die Berufungsbegründung entspricht den gesetzlichen Anforderungen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist mangels Auseinandersetzung mit dem arbeitsgerichtlichen Urteil unzulässig, soweit sie sich gegen die Abweisung der Widerklage richtet. Denn das Arbeitsgericht hat deren Abweisung u.a. tragend damit begründet, dass die Beklagte nicht dargelegt habe, dass Herr S. dem Kläger den Betrag von 2.000,00 EUR nicht als Privatperson, sondern als Vertreter der Beklagten übergeben habe, inwiefern es sich also überhaupt um ein Arbeitgeberdarlehen gehandelt habe. Zu diesem entscheidungserheblichen Punkt hat die Beklagte auch in ihrer Berufungsbegründung keinen Vortrag geleistet, was insofern zur Unzulässigkeit ihrer Berufung führt.

Im Übrigen ist die Berufung der Beklagten in ausreichendem Maße begründet und insgesamt zulässig.

 

B.

Die Berufungen der Parteien sind in der Sache teilweise begründet.

 

I.

Auf die Berufung des Klägers waren diesem wegen der unautorisierten Verwendung ihn betreffenden Bildmaterials in Video- und Fotoaufnahmen nicht nur 3.000,00 EUR, sondern 10.000,00 EUR als Schadensersatz zuzusprechen.

               

1. Wegen der Verpflichtung der Beklagten dem Grunde nach zur Zahlung von Schadensersatz wegen Verstoßes gegen Art. 17 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 82 Abs. 1 DSGVO bzw. zur Zahlung einer Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers durch die Nutzung von Film- und Fotoaufnahmen, die den Kläger erkennbar über längeren Zeitraum zeigen, kann zunächst auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts unter II. 2. lit. b der Entscheidungsgründe seines Urteils (Bl. 214 bis 217 d. ArbG-Akte) verwiesen werden. Die hiergegen gerichteten Einwände der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung liegen neben der Sache.

Wenn die Beklagte ausführt, dass „zwischen den Parteien abgestimmt gewesen“ sei, dass die Beklagte das Schulungsvideo auch nach Ausscheiden des Klägers vollumfänglich mit dem Bild des Klägers weiter nutzen könne, so ist nicht ansatzweise ersichtlich, wer - bei der Beklagten handelt es sich um eine juristische Person - mit wem wann welche konkrete Regelung vereinbart haben soll. Der Kläger hat eine entsprechende Abrede bestritten.

Auch wenn der Kläger im Zeitpunkt des Anfertigens des Bildmaterials hiermit und mit der Verwertung des Bildmaterials zu Werbezwecken für die Beklagte einverstanden war, so bedeutet dies nicht, dass dieses Einverständnis über den Zeitpunkt seines Ausscheidens bei der Beklagten hinaus fortbestand, zumal der Kläger in unmittelbarem zeitlichen Anschluss in vergleichbarer Position bei einem Wettbewerber tätig wurde. Vielmehr hätte die Beklagte sämtliche Bildnisse des Klägers von sich aus spätestens im Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers aus ihren Werbemedien entfernen müssen (vgl. ArbG Neuruppin 14. Dezember 2021 - 2 Ca 554/21 - ZD 2022, 396). Dies hat die Beklagte jedoch nicht getan, sondern in der Folgezeit ein das Persönlichkeitsrecht des Klägers in erheblichem Maße beeinträchtigendes Verhalten an den Tag gelegt.            

a) Im Ansatz zu Recht gibt die Beklagte an, dass nicht jedwede Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, also auch nicht jede Verletzung des Rechts am eigenen Bild, einen Anspruch des Betroffenen auf eine Geldentschädigung gegen den Urheber auslöst (BGH 12. Dezember 1995 - VI ZR 223/94 - NJW 1996, 984). Erforderlich ist vielmehr eine Bewertung aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalles. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, also das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung, die Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- oder Rufschädigung des Verletzten, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen. Bei Verletzungen des Rechts am eigenen Bild sind im Regelfall geringere Anforderungen an die Zusprechung einer Geldentschädigung zu stellen, da die Rechtsverletzung, anders als bei das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigenden Äußerungen, regelmäßig nicht mehr rückgängig gemacht werden kann (BGH 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12 - BGHZ 199, 237). Bei dieser Entschädigung steht regelmäßig der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund. Außerdem soll sie der Prävention dienen.

Im vorliegenden Fall liegt eine erhebliche Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers vor. Auch wenn dieser zunächst mit der Anfertigung von Bildnissen einverstanden war und diese möglicherweise aktiv befördert hat, war für die Beklagte ohne Weiteres ersichtlich, dass dies jedenfalls ab dem Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers und seines Wechsels zu einem Konkurrenzunternehmen nicht mehr der Fall war. Die Beklagte hat dennoch weder von sich aus und zunächst auch nicht auf mehrmaliges Drängen des Klägers die Foto- und Videoaufnahmen mit dem Kläger aus ihren Werbemedien entfernt, sondern dies erst im Februar 2020 und somit über 9 Monate nach seinem Ausscheiden vollständig getan.

b) Nicht ausreichend berücksichtigt hat das Arbeitsgericht bei der Festsetzung der Höhe der Geldentschädigung, dass die Beklagte den Kläger über den Bestand des Arbeitsverhältnisses hinaus zur Verfolgung eigener kommerzieller Interessen eingesetzt hat. Dies bedeutet zwar nicht, dass eine „Gewinnabschöpfung“ vorzunehmen ist, wohl aber, dass die Erzielung von Gewinnen aus der Rechtsverletzung als Bemessungsfaktor in die Entscheidung über die Höhe der Geldentschädigung mit einzubeziehen ist. In solchen Fällen muss von der Höhe der Geldentschädigung ein echter Hemmungseffekt ausgehen; als weiterer Bemessungsfaktor kann die Intensität der Persönlichkeitsrechtsverletzung berücksichtigt werden (BGH 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94 - NJW 1996, 984).

Die Beklagte hat die Angaben des Klägers nicht substanziiert bestritten, wonach sie im Zeitraum vom 1. Mai 2019 bis 21. Februar 2020 viertägige Lehrgänge zum Erlernen von Foliertechniken angeboten habe, die zum Preis von 1.999,00 EUR von ca. 6 Personen je Lehrgang besucht worden seien. Dabei habe die Beklagte etwa 7.000,00 EUR Gewinn je Lehrgang vereinnahmt. Wie die Erörterungen in den mündlichen Verhandlungen vor der Berufungskammer ergeben haben, kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass die Teilnehmer des Lehrgangs aufgrund des den Kläger zeigenden Werbematerials speziell wegen der Person des Klägers bei der Beklagten gebucht haben. Die Beklagte hat nicht mit dem Namen des Klägers geworben, der auch selbst nicht behauptet hat, in der Branche bekannt gewesen zu sein, weshalb Teilnehmer gezielt Schulungen mit ihm besucht haben könnten. Andererseits hat die Beklagte selbst vorgetragen, dass der Kläger seine jetzige Position bei Mitbewerbern auch deshalb bekleide, weil er durch die entsprechenden Schulungen und Veröffentlichungen bekannt geworden sei. Somit hat die Beklagte einen gewissen Werbeeffekt ausgenutzt, was bei der Bemessung des Entschädigungsbetrags zu berücksichtigen ist ebenso wie der Umstand, dass sie vermeiden wollte, das mit viel Aufwand und Kosten angefertigte Schulungsvideo nicht mehr unverändert verwerten zu können.       

  1. c) Unter Abwägung dieser Umstände hält die Kammer einen Entschädigungsbetrag von 10.000,00 EUR für angemessen. Auch unter dem Gesichtspunkt der Prävention nicht anspruchserhöhend wirkt sich die anwaltliche Vertretung der Beklagten spätestens seit Anfang Februar 2020 aus (vgl. BAG 5. Mai 2022 - 2 AZR 263/21 - NZA 2022, 1191).
  2. Da die Klageschrift der Beklagten am 22. April 2020 zugestellt wurde, waren dem Kläger Rechtshängigkeitszinsen gem. §§ 291, 288 Abs. 1 BGB ab dem Folgetag, also dem 23. April 2020, zuzusprechen.

 

II.

Auch die Berufung der Beklagten hat, soweit sie zulässig ist, teilweise Erfolg.     

1. Das arbeitsgerichtliche Urteil war abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit dem Kläger 2.000,00 EUR immaterieller Schadensersatz zugesprochen wurden, weil die Beklagte seinem Auskunftsverlangen nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO nicht innerhalb der Monatsfrist des Art. 12 Abs. 3 Satz 1 DSGVO nachgekommen ist.

a) Der Kläger hat nicht dargelegt, dass ihm aufgrund der verspäteten Auskunftserteilung ein immaterieller Schaden entstanden ist.

Der bloße Verstoß gegen die Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung genügt nicht, um einen Schadensersatzanspruch gem. Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu begründen. Dafür spricht der Wortlaut des Art. 82 Abs. 1 DSGVO, wonach Personen, denen materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz haben. Zwar soll nach Erwägungsgrund 146 Satz 3 der DSGVO der Begriff des Schadens im Lichte der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) weit auf eine Art und Weise ausgelegt werden, die den Zielen der Datenschutzgrundverordnung in vollem Umfang entspricht. Ein weites Verständnis des Schadensbegriffs bedeutet aber nicht, dass vom Vorliegen eines konkreten Schadens gänzlich abzusehen ist (LAG Hamm 2. Dezember 2022 - 19 Sa 756/22 - juris). Verspätete, gänzlich unterbliebene oder falsche Auskünfte an eine Person gem. Art. 15 Abs. 1 DSGVO als solche sind somit nicht haftungsauslösend. Hierfür spricht neben dem Wortlaut des Erwägungsgrundes 146 und des Art. 82 Abs. 2 DSGVO auch die Entstehungsgeschichte des Art. 82 DSGVO. Art. 77 des Kommissionsentwurfes (KOM[212]11) sah bezüglich der Schadensersatzpflicht noch vor: „Jede Person, der wegen einer rechtswidrigen Verarbeitung oder einer anderen mit dieser Verordnung nicht zu vereinbarenden Handlung ein Schaden entstanden ist, hat Anspruch auf Schadensersatz gegen den für die Verarbeitung Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter“. Dagegen bezog beispielsweise der spätere Vorschlag des Parlaments (Drucksache 9565/15) die Schadensersatzpflicht nur noch auf Schäden, die einer Person aufgrund einer Verarbeitung entstehen, die mit dieser Verordnung nicht im Einklang steht (vgl. zur Entstehungsgeschichte des Art. 82 DSGVO im Einzelnen LAG Nürnberg 25. Januar 2023 - 4 Sa 201/22 - juris). Auch die Entstehungsgeschichte einer unionsrechtlichen Vorschrift kann Anhaltspunkte für deren Auslegung liefern (EuGH 24. März 2021 - C-603/20 - FamRZ 2021, 777).

Dieses Auslegungsergebnis steht auch im Einklang mit der jüngeren Rechtsprechung des EuGH, der in seinem Urteil vom 4. Mai 2023 (C-300/21 - NZA 2023, 621) darauf erkannt hat, dass nicht jeder Verstoß gegen die Bestimmungen der Datenschutzgrundverordnung für sich genommen den Schadensersatzanspruch der betroffenen Person i.S.v. Art. 4 Nr. 1 DSGVO eröffne.

Auch das Bundesarbeitsgericht hat in seinem vor der zitierten EuGH-Entscheidung ergangenen Urteil vom 5. Mai 2022 (2 AZR 363/21 - AP DSGVO Art. 82 Nr. 1 = NZA 2022, 1191) in Auseinandersetzung mit dem Verarbeitungsbegriff des Art. 4 Nr. 2 DSGVO ausgeführt: „Die Nichterfüllung oder nicht vollständige Erfüllung des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO muss danach für sich genommen nicht gleichbedeutend sein mit einer verordnungswidrigen „Verarbeitung““.

b) Überdies hat der Kläger auch keinen ihm durch die verzögerte Auskunftserteilung entstandenen Schaden dargelegt. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 4. Mai 2023 (C-300/221 - NZA 2023, 621) klargestellt, dass das Vorliegen eines Schadens eine der Voraussetzungen für den in Art. 82 DSGVO vorgesehenen Schadensersatzanspruch ist (Wahlers jurisPR-ITR 10/2023, Anm. 4), auch wenn der Schaden keine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschreiten muss. Wörtlich hat der EuGH in Rn. 50 seines Urteils vom 4. Mai 2023 (C-300/21) hierzu ausgeführt: „Allerdings bedeutet diese Auslegung nicht, dass eine Person, die von einem Verstoß gegen die DSGVO betroffen ist, der für sie negative Folgen gehabt hat, vom Nachweis befreit wäre, dass diese Folgen einen immateriellen Schaden i.S.v. Art. 82 dieser Verordnung darstellen“.

Die somit erforderliche (Fuhlrott/Fischer NZA 2023, 606, 609) Feststellung des Vorliegens eines ersatzfähigen Schadens beim Kläger lässt dessen Vortrag, der sich diesbezüglich darauf beschränkt, dass er um seine Rechte und Freiheiten gebracht wurde, die ihn betreffenden personenbezogenen Daten zu kontrollieren, nicht zu. Bei diesen Ausführungen handelt es sich um eine bloße Leerformel ohne inhaltliche Substanz und keine Darlegung eines auch nur geringfügigen konkreten immateriellen Schadens. „Bloßer Ärger“ des Betroffenen genügt hierfür genauso wenig (vgl. die Schlussanträge des Generalanwalts vom 6. Oktober 2022 - C-300/21 - Celex Nr. 62021CC0300) wie das bloße Warten auf die Auskunft. Art. 82 Abs. 1 DSGVO enthält auch keine Vermutung dahingehend, dass der mit einem Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung einhergehende Kontrollverlust über die eigenen Daten als solcher zu einem ersatzfähigen immateriellen Schaden führt (LAG Hamm 2. Dezember 2022 - 19 Sa 756/22 - juris).

2. Die Berufung der Beklagten hat auch Erfolg mit der Folge der entsprechenden Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Auskunftserteilung richtet. Der geltend gemachte Auskunftsanspruch ist mangels Bestimmtheit schon unzulässig.

a) Ein Klageantrag ist hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch durch Bezifferung oder gegenständliche Beschreibung so konkret bezeichnet, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) klar abgegrenzt ist, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennbar sind, das Risiko des eventuell teilweisen Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abgewälzt und eine etwaige Zwangsvollstreckung nicht mit einer Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren belastet wird. Es genügt nicht, sich auf gesetzliche Vorschriften zu berufen, die den erhobenen Anspruch vorsehen, vielmehr müssen die sich aus den Normen ergebenden Konsequenzen im Einzelfall von der klagenden Partei bei der Formulierung ihres Klageantrags berücksichtigt werden (BAG 27. April 2021 - 2 AZR 342/20 - BAGE 174, 351).

b) Diesen Anforderungen genügt der Auskunftsantrag des Klägers nicht.

aa) Zunächst ist schon völlig unklar, wann eine Information „detailliert“ i.S.d. geltend gemachten Auskunftsanspruchs sein soll. Aber auch soweit der Kläger Auskunft über „sämtliche personenbezogenen Daten“ begehrt, die die Beklagte im Zusammenhang mit dem begründeten Arbeitsverhältnis erhoben und verarbeitet hat, liegt keine ausreichende Bestimmtheit des Antrags vor.

Nach der Rechtsprechung des EuGH (4. Mai 2023 - C-487/21 - DB 2023, 1275) ist dem Begriff „personenbezogene Daten“ (vgl. Art. 4 Nr. 1 DSGVO) eine weite Bedeutung zuzumessen, die potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur in Form von Stellungnahmen oder Beurteilungen umfasst, unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen „über“ die in Rede stehende Person handelt, wobei die weite Definition des Begriffs „personenbezogene Daten“ nicht nur die von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen erhobenen und auf Vorrat gespeicherten Daten, sondern auch alle Informationen über eine identifizierte oder identifizierbare Person, die aus einer Verarbeitung personenbezogener Daten resultieren, erfasst. Um Informationen „über“ die in Rede stehende Person handelt es sich, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist (BGH 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19 - NJW 2021, 2726).

Der Begriff der „personenbezogenen Daten“ ist damit denkbar weit zu verstehen (Granetzny in: Schlewing/Henssler/Schipp/Schnitker, Arbeitsrecht der betrieblichen Altersversorgung, 1. Personenbezogene Daten Rn. 5) und inhaltlich nicht geklärt. So ist beispielsweise der Detaillierungsgrad der mitzuteilenden Informationen umstritten (vgl. BeckOK Datenschutzrecht/Schmidt-Wudy DSGVO Art. 15 Rn. 52) sowie die Frage, wann eine Person identifizierbar ist bzw. wann nicht mehr unter die Datenschutzgrundverordnung fallende anonyme Daten vorliegen (hierzu EUArbRK/Franzen 4. Aufl. VO (EU) 2016/679 Rn. 4 ff.).

Die Verwendung auslegungsbedürftiger Begriffe wie hier des Begriffs der „personenbezogenen Daten“ kommt nur in Betracht, wenn einerseits für den Kläger eine weitere Konkretisierung nicht möglich oder zumutbar ist, andererseits für die Parteien kein Zweifel an ihrem Inhalt besteht, so dass die Reichweite von Antrag und Urteil feststeht (BAG 16. Dezember 2021 - 2 AZR 235/21 - NZA 2022, 362). Regelmäßig ist allerdings ein Antrag, der lediglich den Gesetzestext wiederholt, nicht geeignet, einen bestimmten Streit der Beteiligten mit Rechtskraftwirkung beizulegen (BAG 9. Juli 2013 - 1 ABR 17/12 - NZA 2013, 1166; 25. April 2001 - 5 AZR 395/99 - NZA 2001, 1157).

Im vorliegenden Fall wiederholt der Kläger mit seinem Antrag auf Auskunft über „sämtliche personenbezogenen Daten…“ lediglich den Wortlaut von Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 DSGVO, ohne zu konkretisieren, welche Angaben er meint. Dies genügt dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO jedenfalls im zu entscheidenden Fall nicht (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 16. März 2022 - 23 Sa 1133/21 - ZD 2023, 57 für ein Auskunftsverlangen betreffend die „konkreten personenbezogenen Daten der Klägerin“). Dies würde auch dann gelten, wenn das Begehren des Klägers so zu verstehen sein sollte, dass er damit eine „vollständige“ Auskunft verlangen sollte (offengelassen von BGH 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19 - NJW 2021, 2726; vgl. auch BAG 16. Dezember 2021 - 2 AZR 235/21 - NZA 2022, 362).

Es ist nicht ersichtlich, warum es dem Kläger nicht möglich gewesen sein sollte, in rechtlicher Hinsicht genauer einzugrenzen, welches Verständnis er dem Begriff der „personenbezogenen Daten“ in seinem Antrag zugrunde legt, schon um wie bereits dargelegt nicht das Risiko seines teilweisen Unterliegens auf die Beklagte abzuwälzen.

Auch ein übereinstimmendes Verständnis der Parteien hinsichtlich des Begriffs der „personenbezogenen Daten“ im hier relevanten Sinn ist nicht ersichtlich. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer hat das Gericht die Frage der Zulässigkeit der Anträge einschließlich deren Bestimmtheit angesprochen. Die Ausführungen der Klägerseite beschränkten sich auf den Verweis auf den Wortlaut des Art. 15 Abs. 1 DSGVO, auch die Beklagtenseite hat nicht weiter Stellung genommen.

Das Erfordernis einer Konkretisierung dieses Auskunftsverlangens ist auch nicht generell mit der Schutzrichtung der Datenschutzgrundverordnung unvereinbar. So weist Erwägungsgrund 63 Satz 7 DSGVO darauf hin, dass der Verantwortliche vor Auskunftserteilung verlangen können soll, dass die betroffene Person präzisiert, auf welche Information oder welche Verarbeitungsvorgänge sich ihr Auskunftsersuchen bezieht, wenn er eine große Menge von Informationen über die betroffene Person verarbeitet (vgl. LAG Hamm 2. Dezember 2022 - 19 Sa 756/22 - juris).

bb) Die mangelnde Konkretisierung der verlangten „personenbezogenen Daten“ führt auch zur Unbestimmtheit und damit Unzulässigkeit des Auskunftsantrags, soweit damit die Angabe „vor allem“ der unter den fünf Spiegelstrichen aufgeführten Informationen - wobei hier fast wörtlich der Wortlaut von Art. 15 Abs. 1 lit. a bis e sowie g und h DSGVO wiedergegeben wird - verlangt wird.

Der Wortlaut des gestellten Antrags, der diese Informationen als Teil des Auskunftsanspruchs bezüglich sämtlicher personenbezogener Daten begreift, belegt, dass der Kläger selbst keine konkrete Vorstellung davon hat, was er klageweise verlangt. Denn aus dem Wortlaut des Art. 15 Abs. 1 DSGVO („über diese personenbezogenen Daten und auf folgende Informationen“) ergibt sich, dass es sich bei den in Art. 15 Abs. 1 lit. a bis h DSGVO aufgeführten Informationen gerade nicht um personenbezogene Daten, sondern um davon abzugrenzende sonstige Informationen handelt (Schulte/Welge NZA 2019, 1110, 1111; siehe auch EuGH 4. Mai 2023 - C-487/21 - DB 2023, 1275 - Rn. 30: „…Auskunft über ihre personenbezogenen Daten sowie in den Buchstaben a bis h dieses Absatzes genannten Informationen zu erhalten“ - Fettdruck nicht im Original).

 

C.

I.

Die Kostenentscheidung ergibt sich gem. §§ 97, 92 ZPO aus dem Maß des jeweiligen Unterliegens bzw. Obsiegens der Parteien.

 

II.

Bezogen auf das Auskunftsverlangen nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO war die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen zuzulassen (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).

Bezüglich der übrigen Streitgegenstände liegen die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nicht vor.

Die beschränkte Zulassung der Revision war möglich. Beim Auskunftsanspruch handelt es sich um einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs. Der Kläger hat keine Stufenklage erhoben.