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Verstoß: Verspätete Auskunft entgegen Art. 15 DSGVO

  • Beschreibung
    Der Kläger beantragte im Zuge einer Kündigungsschutzklage Auskunft über die über ihn gespeicherten personenbezogenen Daten. Die Beklagte kam diesem Ersuchen erst nach über drei Monaten nach. Das Arbeitsgericht sprach dem Kläger je Monat verspäteter Auskunft 500,00 Euro zu, d.h. insgesamt 1500,00 Euro.
  • Aktenzeichen
    ArbG Neumünster, Urteil vom 11.08.2020 (1 Ca 247 c/20)
  • Kategorie(n)
    Arbeitnehmer
  • Betrag
    1500 €

In dem Rechtsstreit – Klägerin – gegen – Beklagten – hat die Kammer des Arbeitsgerichts Neumünster auf die mündliche Verhandlung vom 11.08.2020 durch den Richter Oltmanns als Vorsitzenden, den ehrenamtlichen Richter … und den ehrenamtlichen Richter ….

für Recht erkannt:

  1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten nicht durch die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 05.03.2020 aufgelöst wird.
  2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten auch nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 05.03.2020 aufgelöst wird.
  3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Elektriker/Betriebsmeister/Technische Leitung in … weiter zu beschäftigen.
  4. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Schadensersatz für die Verletzung eines Auskunftsanspruchs in Höhe von 1.500,00 € zu zahlen.
  5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  6. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 54%, die Beklagten 46%.
  7. Der Wert des Streitgegenstands beträgt 40.300,00 €.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen, hilfsweise ordentlichen Beendigungskündigung sowie um weitere Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis.

Der am 17.03.1962 geborene und verheiratete Kläger ist seit dem 03.10.2003 bei der Beklagten, zuletzt als Meister für die elektromechanische Betreuung mit vier ihm unterstellten Mitarbeitern zu einem Bruttomonatsgehalt von 4.200 Euro beschäftigt. Die Beklagte stellt Betonfertigteile her und betreibt in … ein großes Betriebsgelände mit mehreren Hallen.

Mit Schreiben vom 25.04.2019 wurde der Kläger von der Beklagten abgemahnt. In der Abmahnung heißt es auszugsweise:

„Am 23.04.2019 habe ich Sie im Heizungsraum des Bürogebäudes „versteckt“ hinter den Wasserkesseln Zeitung lesend angetroffen“

Wegen Einzelheiten hierzu wird auf das Abmahnungsschreiben Bezug genommen.

Am 26.02.2020 gegen 6:45 Uhr wurde der Kläger von dem Geschäftsführer der Beklagten … und dem – zum damaligen Zeitpunkt – künftigen Geschäftsführer … beobachtet, wie er einen Schaltschrankraum betrat und hinter sich die Tür schloss. Um 07:55 Uhr öffneten … und … in Begleitung des Betriebsratsmitglieds und Zeugen … die Tür zum Schaltschrankraum und fanden dort den Kläger, der auf einem Stuhl mit einer Zeitung saß, vor. Zwischen den Parteien ist streitig, um welche Zeitung es sich handelte und ob der Kläger zu diesem Zeitpunkt schlief. Der Kläger wurde von der Beklagten unmittelbar nach dem Vorfall am 26.02.2020 von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt.

Mit Schreiben vom 02.03.2020 hörte die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen fristlosen Kündigung an. In der Abmahnung heißt es zum Kündigungsgrund auszugsweise:

„Unter Hinzunahme des BR-Mitgliedes … haben die Herren … und … dann um 07:55 Uhr den Raum leise geöffnet und … auf einem Stuhl sitzend Zeitung lesend oder schlafend (war nicht genau ersichtlich) vorgefunden.“

Der Betriebsrat hat der beabsichtigten personellen Maßnahme am gleichen Tag zugestimmt. Die Beklagte erklärte daraufhin mit Schreiben vom 05.03.2020 die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Mit seiner am 10.03.2020 eingegangenen und der Beklagten am 26.03.2020 zugestellten Klage macht der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigungen geltend. Mit außergerichtlichem Schreiben vom 09.03.2020 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beklagte aufgefordert Auskunft über die bisher im Arbeitsverhältnis verarbeiteten personenbezogenen Daten des Klägers gem. Art. 15 DSGVO zu erteilen. Die Beklagte erteilte diese Auskunft durch Schriftsatz vom 16.06.2020.

Der Kläger behauptet, am 26.02.2020 nicht geschlafen zu haben. Er habe vielmehr in Wahrnehmung seiner betrieblichen Aufgaben als Sicherheitsbeauftragter die sicherheitsrelevante Bauzeitung (BAUZ), Unfallszeitung für Betonwerke der BG Chemie, gelesen. Er habe den Schaltschrankraum – wie bereits einige Male zuvor – betreten, um die bevorstehende Wartung des Trafos durch eine externe Firma vorzubereiten. Hierzu sei es erforderlich gewesen, ein Messgerät am Schaltschrank über eine Dauer von wenigstens 20 Minuten abzulesen. Da er, der Kläger, das Messgerät in dieser Zeit nur alle 3 bis 4 Minuten ablesen musste, habe er sich zuvor die BAUZ aus dem Pausenraum der Beklagten geholt, um darin während der Ablesungsphase zu lesen. Der Kläger bestreitet, jemals während seiner Arbeitszeit bei der Beklagten geschlafen zu haben.

Der Kläger ist darüber hinaus der Auffassung, Anspruch auf ein gutes Zwischenzeugnis gegen die Beklagte zu haben. Dieser Anspruch ergebe sich schon daraus, dass er ein gutes Zwischenzeugnis mit dem Ausstellungsdatum 06.12.2018 erhalten habe. Darüber hinaus behauptet der Kläger, Anspruch auf Zahlung einer vertraglichen Bonuszahlung in Höhe von 2.000 Euro gegen die Beklagte zu haben. Schließlich ist der Kläger der Auffassung, durch die verspätete Erteilung der Auskunft gem. Art. 15 DSGVO einen immateriellen Schaden in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern erlitten zu haben.

Nachdem der Kläger zunächst beantragt hatte, die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft gem. Art. 15 DSGVO zu erteilen, haben beide Parteien die Klage in der mündlichen Verhandlung am 11.08.2020 insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Der Kläger beantragt zuletzt,

  1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten nicht durch außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 05.03.2020 beendet wird.
  2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten auch nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 05.03.2020 beendet wird.
  3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Elektriker/Betriebsmeister/Technische Leitung in … weiter zu beschäftigen.
  4. Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 25.04.2019 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.
  5. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger sofort ein qualifiziertes und berufsförderndes Zwischenzeugnis, mit einer guten Leistungs- und Verhaltensbeurteilung zu erteilen.
  6. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine vertraglich festgelegte Bonuszahlung in Höhe von 2.000,00 Euro brutto zu zahlen.
  7. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger einen angemessenen Schadensersatz für die Verletzung seines Auskunftsanspruchs zu zahlen, wobei die Höhe des Schadensersatzes in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nicht jedoch weniger als ein Bruttovierteljahresgehalt.
    Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die dem Kläger unterstellten Mitarbeiter hätten den Kläger in den Jahren 2019 und 2020 während der Arbeitszeit immer wieder sehr oft suchen müssen, wenn seine Entscheidung als Vorgesetzter erforderlich war, sie technische Fragen hatten oder seine Mithilfe erforderlich war. Erst im Laufe der Zeit sei der Verdacht aufgekommen, dass der Kläger irgendwo schläft oder sich anderweitig beschäftigt. Die Geschäftsleitung habe dies zum Anlass genommen, den Sachverhalt zu erforschen und habe dabei festgestellt, dass der Kläger in den häufigen Zeiten, in denen er unauffindbar war, sich tatsächlich nicht im Bürogebäude oder den Sanitärräumen aufgehalten habe.

Nachdem sich die Unauffindbarkeit des Klägers im Januar und Februar 2020 wieder gehäuft hätten und es darüber zu erneuten erregten Diskussionen in der Belegschaft gekommen sein, hätten sich … und  … am 26.02.2020 ab 6:00 Uhr auf die Lauer gelegt und den Traforaum vom ersten Stock des Bürogebäudes aus beobachtet. Um 7:55 Uhr hätten … und … zusammen mit dem Betriebsratsmitglied … die Tür zum Schaltschrankraum leise geöffnet. Der Kläger sei dort auf einem Stuhl sitzend über der Zeitung lesend oder schlafend, was nicht genau zu erkennen gewesen sei, angetroffen. Bei der Zeitung habe es sich um die „Bild“-Zeitung gehandelt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zur Akte gereichten Schriftsätze der Parteien samt Anlagen sowie auf die Protokolle der Güte- und Kammerverhandlung vom 28.01.2020 und 11.08.2020.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist in Bezug auf die Kündigungsschutzanträge, den Weiterbeschäftigungsantrag und – teilweise – in Bezug auf den begehrten Schadenersatz begründet und im Übrigen unbegründet.

I. Kündigungsschutzanträge begründet:

Der Kläger hat einen Anspruch auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 05.03.2020 (s. nachfolgend Nr.2) noch durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung zum 30.09.2020 (Nr.3) aufgelöst wurde.

1. Drei-Wochen-Frist

Der Kläger hat durch seine am 10.03.2020 beim Arbeitsgericht eingegangene und am 26.03.2020 zugestellte Klage die 3-Wochen-Frist des § 4 KSchG eingehalten. Die streitgegenständliche Kündigung vom 05.03.2020 ist dem Kläger am gleichen Tag zugegangen, die 3-Wochen-Frist lief daher bis zum 26.03.2020.

2. Außerordentliche Kündigung

Das Arbeitsverhältnis wurde nicht durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 05.03.2020 aufgelöst. Gem. § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist nach der Zweistufenlehre des BAG (vgl. BAG v. 25.1.2018 – 2 AZR 382/17, NZA 2018, 845) zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt an sich geeignet ist, einen außerordentlichen Kündigungsgrund darzustellen. In der zweiten Stufe ist dann zu prüfen, ob auch der konkrete Einzelfall und die Interessenabwägung die außerordentliche Kündigung zulassen.

a) Zwar ist das Lesen einer Zeitung und das Schlafen während der Arbeitszeit jeweils eine Pflichtverletzung aus dem Arbeitsverhältnis. Insoweit ist nämlich anerkannt, dass wenn der Arbeitnehmer während der bezahlten Arbeitszeit seine Arbeit unterbricht und untätig bleibt, weil er sich privaten Dingen widmet (z.B. eine Zigarettenpause einlegt, private (Telefon-) Gespräche führt, Karten spielt, privat im Internet surft, Zeitung liest, etc.), er seine Hauptleistungspflicht zur Arbeit verletzt (so etwa LAG Rheinland-Pfalz v. 21.01.2010 – 10 Sa 562/09, juris). In Entscheidungen zur privaten Internetnutzung (etwa BAG v. 07.07.2005 – 2 AZR 581/04, juris) nimmt das Bundesarbeitsgericht insoweit an, dass eine gravierende zeitliche Vernachlässigung der Arbeitspflicht vorliegt, wenn sich der Arbeitsnehmer z.B. über einen längeren Zeitraum ca. 10% der Arbeitszeit (BAG v. 27.04.2006 – 2 AZR 386/05, NZA 2006, 977) oder innerhalb eines Zweiwochenzeitraumes an zwei Arbeitstagen jeweils ca. 1 ½ Stunden (BAG v. 07.07.2005 a.a.O., Rn. 28 bei juris) während der bezahlten Arbeitszeit privaten Dingen widmet.

Ob in dem Verhalten des Klägers „an sich“ ein wichtiger Grund in diesem Sinne zu sehen ist, ist unter Berücksichtigung dieser Grundsätze jedenfalls zweifelhaft. Die Beklagte hat nämlich gar keine Feststellungen zur Häufigkeit und zum Umfang des Zeitungslesens bzw. Schlafens durch den Kläger gemacht, sondern den Kläger am 26.02.2020 nur einmal und sehr punktuell bei der Verletzung der Arbeitspflicht „erwischt“. Wann und wie lange der Kläger im Übrigen und außerhalb dieses konkreten Vorfalls pflichtwidrig nicht gearbeitet hat, hierzu hat die Beklagte nichts Konkretes vorgetragen. Die ergänzende Behauptung der Beklagten, Kollegen und Vorgesetzte des Klägers hatten sich „immer wieder“ über dessen Verschwinden während der Arbeitszeit beschwert, ist dagegen viel zu vage. Aus diesem Grund konnte die Beklagte die Einlassung des Klägers, er habe am 26.02.2020 im Schaltschrankraum gearbeitet, nicht zur Überzeugung der Kammer entkräften. Letztlich kann die Frage des wichtigen Grundes aber dahinstehen. Selbst dann, wenn man die Behauptung der Beklagten, der Kläger habe am 26.06.2020 um 7:55 Uhr nicht gearbeitet, sondern eine „Bild“-Zeitung gelesen oder geschlafen, als wahr unterstellt (und hierzu ergangene Gegendarstellung des Klägers, er habe Tätigkeiten im Zusammenhang mit der bevorstehenden Wartung des Trafos ausgeübt, unbeachtet lässt), stellt sich die außerordentliche Kündigung dennoch als unwirksam dar. Die Kammer ist nämlich der Auffassung, dass das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung der Kündigungsfrist das Interesse des Klägers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses jedenfalls nicht überwiegt.

b) Die nach § 626 Abs. 1 BGB erforderliche Interessenabwägung geht zu Gunsten des Klägers aus. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitsnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Auch Unterhaltspflichten und Familienstand können – je nach Lage des Falls – Bedeutung gewinnen.

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze überwiegen die Interessen des Klägers nach Überzeugung der Kammer das Interesse der Beklagten auf sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses.               

Zwar wurde der Kläger am 25.04.2019 wirksam abgemahnt (s. hierzu unten III.). Die Abmahnung betrifft auch eine vergleichbare Pflichtverletzung, denn gerügt wurde damals, dass der Kläger während der Arbeitszeit eine Zeitung gelesen habe. Dem Kläger wurde damit also vorgeworfen, er habe zu Unrecht nicht gearbeitet. Die der Kündigung zu Grunde liegende Pflichtverletzung betrifft ebenfalls den Vorwurf, der Kläger habe nicht gearbeitet, sondern Zeitung gelesen oder geschlafen. Insoweit ist eine Wiederholungsgefahr also durchaus gegeben und fraglich, ob die Beklagte auf die erneute – einschlägige – Pflichtverletzung des Klägers als milderes Mittel mit einer zweiten Abmahnung hätte reagieren müssen. Auch spricht aus der Sicht der Kammer gegen den Kläger, dass er in Bezug auf sein mögliches Fehlverhalten wenig einsichtig ist. So hat er auf die – nicht ins Protokoll aufgenommene – Frage der Kammer in der mündlichen Verhandlung, ob er die Kündigung des Beklagten angesichts des abgemahnten Verhaltens nachvollziehen könne, geantwortet, dass er die Reaktion zwar verstehen könne, er aber andererseits in der Vergangenheit sehr viele Überstunden geleistet habe und auch nach Feierabend regelmäßig für dienstliche Anrufe zur Verfügung gestanden habe. Die Kammer hat daher den Eindruck, als ob der Kläger „Unrecht mit Unrecht vergelten“ möchte und kein Bewusstsein für eine etwaige Pflichtverletzung hat. Schließlich ist zu Gunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass der Kläger als Vorgesetzter eine Vorbildfunktion ausübt. Auch hat der Betriebsrat der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung ausdrücklich zugestimmt, ohne Bedenken anzumelden, was Indiz dafür ist, dass der Kläger auch innerhalb der Belegschaft kein Rückhalt mehr hat.

Auf der anderen Seite ist zu Gunsten des Klägers dessen lange Betriebszugehörigkeit seit ca. 16,5 Jahren zu berücksichtigen. Während dieser Zeit hat sich der Kläger durchaus gewisses „Vertrauenskapital“ aufgebaut, denn das Arbeitsverhältnis war bis zur Abmahnung nicht nur unbelastet, der Kläger hat sich vielmehr nach eigenem Vortrag der Beklagten „unersetzliches Fachwissen“ angeeignet und sich sogar beim Neubau des Werkes 2014 bis 2017 überobligatorisch für die Belange der Beklagten eingesetzt. Auch das relativ hohe Lebensalter des Klägers (zum Zeitpunkt der Kündigung war er ca. 58 Jahre alt) ist zu seinen Gunsten zu berücksichtigen. Darüber hinaus hat die Kammer zu Gunsten des Klägers berücksichtigt, dass die ihm vorgeworfenen Pflichtverletzungen keinen messbaren Schaden für die Beklagte verursacht haben. Schließlich wurde das Verhalten des Klägers trotz Kenntnis und einschlägiger Abmahnung durch die Beklagte offenbar über mehrere Monate lang geduldet. Dem Kläger wurde es daher leicht gemacht, er musste mit keiner hohen kriminellen Energie vorgehen. Es wäre für die Beklagte jedenfalls ohne großen Aufwand möglich gewesen, den Kläger schon zu einem viel früheren Zeitpunkt zu kontrollieren oder ihn auf das angebliche Fehlverhalten anzuhören. Im Ergebnis ist die Kammer der Überzeugung, dass es der Beklagten jedenfalls zuzumuten gewesen wäre, den Kläger bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen. Die außerordentliche Kündigung stellt sich daher nicht als verhältnismäßig dar.

Ob der Betriebsrat vor der außerordentlichen Kündigung überhaupt noch ordnungsgemäß gem. § 102 BetrVG unterrichtet wurde (s. hierzu auch im Folgenden unter 3.), kann vor diesem Hintergrund dahinstehen. Jedenfalls wurde das Arbeitsverhältnis nicht durch die unverhältnismäßige außerordentliche Kündigung aufgelöst. Die Klage war daher in Bezug auf den Kündigungsschutzantrag zu 1 begründet.

                3. Ordentliche Kündigung

Die hilfsweise erklärte ordentliche Beendigungskündigung hat das Arbeitsverhältnis ebenso wenig aufgelöst. Zwar hat die Beklagte in der Kündigungserklärung vom 05.03.2020 ausdrücklich erklärt, das Arbeitsverhältnis hilfsweise auch ordentlich zu kündigen. Es kann aber dahinstehen, ob das Zeitunglesen bzw. das Schlafen des Klägers während der Arbeitszeit eine Pflichtverletzung darstellt, die nach Durchführung einer Interessenabwägung eine verhaltensbedingte Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG rechtfertigt. Denn jedenfalls hat die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat nicht ordnungsgemäß zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung angehört.   

Gem. § 102 Abs. 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam, ebenso eine Kündigung nach unzureichender Anhörung (BAG v. 18.10.2006 – 2 AZR 676/05, DB 2007, 2212). Die Mitteilung genügt nur dann dem Sinn und Zweck des Anhörungsverfahrens, wenn sich der Betriebsrat über die Person des Arbeitnehmers und über die Kündigungsgründe für seine Stellungnahme ein eigenes Bild machen kann. Daher hat der Arbeitsgeber insbesondere die Personalien, die Kündigungsabsicht und die Kündigungsart (ordentliche Kündigung, außerordentliche fristlose Kündigung bzw. mit Auslauffrist) mitzuteilen (BAG v. 29.08.1991 – 2 AZR 59/91, NZA 1992, 416). Bei Ausspruch einer ordentlichen Kündigung sind grundsätzlich auch Kündigungstermin und Kündigungsfrist als wesentlicher Baustein für die Interessenabwägung anzugeben (ErfKomm/Kania, 20. Aufl. 2020, § 102 BetrVG Rn. 1).

Die vorliegende Betriebsratsanhörung vom 02.03.2020 ist unter Zugrundelegung dieser Grundsätze nicht ordnungsgemäß. In der Anhörung heißt es, die Beklagte beabsichtige, dem Kläger „eine fristlose Kündigung“ auszusprechen. Sodann folgt im Wesentlichen die Darstellung des Ereignisses am 26.02.2020. Schließlich heißt es, der Arbeitsgeber bitte „um Stellungnahme des Betriebsrats nach § 102 BetrVG. Weder aus dem Wortlaut noch aus der Systematik der Anhörung ist ersichtlich, dass der Arbeitsgeber zwei Kündigungen beabsichtigte, nämlich primär eine außerordentliche („fristlose“) Kündigung und hilfsweise eine ordentliche Beendigungskündigung. Hierdurch wird der Zweck der Anhörung, den Betriebsrat über die Art der Kündigungen und die Kündigungsgründe in Kenntnis zu setzen, verfehlt. Der Betriebsrat wurde auf Grundlage dieser unvollständigen Information auch nicht in die Lage versetzt, unterschiedlich auf die beiden beabsichtigten Maßnahmen zu reagieren, etwa indem das Gremium gegen die außerordentliche Kündigung Bedenken erhebt ( § 102 Abs. 2 S. 3 BetrVG) und der ordentlichen Kündigung zustimmt oder sich nicht dazu äußert. Vielmehr unterscheidet auch der von der Beklagten vorbereitete Antwortbogen nicht zwischen den beiden Kündigungsarten. Auch enthält die Anhörung zwar die Dauer der Betriebszugehörigkeit, nicht aber die anwendbare ordentliche Kündigungsfrist. Der Betriebsrat konnte damit weder einschätzen, wie lange der Kläger im Falle der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung noch beschäftigt sein werde noch konnte er die Frage der Angemessenheit der Weiterbeschäftigung für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist nachvollziehen. Hierzu hätte im Übrigens gehört, dass die Beklagte dem Betriebsrat die aus ihrer Sicht wesentlichen Erwägungen zur Interessenabwägung mitteilt. Auch hierzu enthält die Anhörung keinerlei Ausführungen. Schließlich hat die Kammer Bedenken dahingehend, dass die konkrete Pflichtverletzung hinreichend genau beschrieben wurde. In der Anhörung heißt es insoweit lediglich, … sei auf einem Stuhl sitzend Zeitung lesend oder schlafend („war nicht genau ersichtlich“) vorgefunden worden. … sei daraufhin umgehend bis auf weiteres von seiner Arbeit freigestellt worden. Bei einer verhaltensbedingten Kündigung muss jedoch das kündigungsrelevante Verhalten genau bezeichnet sowie erteilte Abmahnungen und auch etwaige entlastende Umstände mitgeteilt werden, z.B. eine etwaige Gegenvorstellung des zu kündigenden Arbeitnehmers (ErfKomm/Kania a.a.O., § 102 Rn. 9). Das ist hier indes nicht geschehen, denn die konkrete Pflichtverletzung wird hier sogar ausdrücklich offengelassen (Zeitunglesen oder Schlafen). Der Wortlaut der Anhörung spricht vielmehr für den bloßen Verdacht einer Pflichtverletzung, etwa dem Verdacht eines Arbeitszeitbetrugs. Sofern es sich aber tatsächlich nur um den Verdacht einer Pflichtverletzung handelt, hätte der Betriebsrat auch hierüber unterrichtet werden müssen, ebenso wie über eine etwaig erfolgte Anhörung des Klägers.

Dass der Betriebsrat über diese Mängel, insbesondere über die Tatsache, dass für den Fall der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung auch eine ordentliche Beendigungskündigung ausgesprochen werden soll, über die tatsächlichen Umstände für die Berechnung der maßgebenden Frist und die Interessenabwägung, anderweitig unterrichtet war, hat die Beklagte nicht substantiiert behauptet. Eine derartige Unterrichtung kann die Kammer auch nicht aus den konkreten Umständen des Einzelfalls erkennen. Zwar war das Betriebsratsmitglied … anwesend, als die Beklagte den Kläger am 26.02.2020 im Schaltschrankraum angetroffen hatte. Allein aus seiner bloßen Anwesenheit kann aber nicht geschlossen werden, dass auch eine (mündliche) Unterrichtung über die beabsichtigten Kündigungsarten und die Kündigungsfrist erfolgte. Zudem ist … nur einfaches Betriebsratsmitglied. Die Unterrichtung gem. § 102 Abs, 1 BetrVG hat jedoch gegenüber dem Vorsitzenden des Gremiums zu erfolgen, da grundsätzlich nur dieser zur Entgegennahme von Erklärungen befugt ist (§ 26 Abs. 3 S. 2 BetrVG). Dazu, dass der Betriebsratsvorsitzende von der Beklagten oder … vollständig über das Geschehen und die beabsichtigten Folgen in Kenntnis gesetzt wurde, fehlt aber jeglicher Vortrag. Ebenso wurde von der Beklagten weder dargetan noch ist ersichtlich, dass sowohl der Vorsitzende als auch dessen Stellvertreter zum Zeitpunkt der Unterrichtung verhindert waren.

II. Weiterbeschäftigungsantrag

Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf vertragsgemäße Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits. Der gekündigte Arbeitsnehmer hat – auch außerhalb der Regelung der § 102 Abs. 5 BetrVG – einen arbeitsvertragsrechtlichen Anspruch auf vertragsmäßige Beschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist oder bei einer fristlosen Kündigung über deren Zugang hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsprozesses, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegende schützenswerte Interessen des Arbeitsgebers einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen (BAG (Großer Senat) v. 27.02.1985 – GS 1/84, NZA 1985, 702). Diese Voraussetzungen liegen hier vor, insbesondere hat die Beklagte nicht substantiiert vorgetragen, dass im Einzelfall überwiegende schutzwürdige Interessen des Arbeitsgebers einer Weiterbeschäftigung entgegenstehen. Im Gegenteil spricht sowohl die lange Betriebszugehörigkeit des Klägers als auch die Tatsache, dass die Beklagte ausdrücklich auch dessen Verdienste in der Vergangenheit hervorgehoben hat, gegen eine Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung bis zur rechtkräftigen Klärung der kündigungsrechtlichen Sach – und Rechtslage.

III. Abmahnung

Dagegen hat der Kläger keinen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung vom 25.04.2019. Die Abmahnung ist wirksam. Die darin dargestellte Rüge, der Kläger habe am 23.04.2019 im Heizungsraum des Bürogebäudes Zeitung gelesen, ist inhaltlich richtig. Zwar hat der Kläger zunächst behauptet, die sicherheitsrelevante Unfallszeitung der BG Chemie gelesen zu haben. In der mündlichen Verhandlung vom 11.08.2020 hat der Kläger im Rahmen seiner persönlichen Anhörung aber sein Fehlverhalten zugestanden und vorgetragen, er habe vielmehr eine andere Zeitung gelesen, etwa die „Hamburger Morgenpost“. Die in der Abmahnung gerügte Pflichtverletzung, der Kläger habe nicht – wie vertraglich geschuldet – gearbeitet, sondern während seiner Arbeitszeit eine Zeitung gelesen, ist also zutreffend. Darauf, ob sich der Kläger auch „versteckt“ hat, kommt es dagegen nicht an. Insoweit ist der Wortlaut der Abmahnung lebensnah so auszulegen, dass die Beklagte hiermit lediglich zum Ausdruck bringen wollte, dass der Kläger die Zeitung nicht betriebsöffentlich, sondern in einem Heizungsraum gelesen hat. Auch dies ist nicht zu beanstanden. Die Pflichtverletzung ist damit hinreichend genau bezeichnet. Auch die Sanktionen im Falle der Wiederholung wurden explizit aufgezeigt, so dass die Abmahnung auch ihre Warnfunktion erfüllt. Der Kläger hat somit insgesamt keinen Anspruch auf Entfernung der rechtmäßig erteilten Abmahnung, die Klage war insoweit als unbegründet abzuweisen.

IV. Gutes Zwischenzeugnis

Hinsichtlich des begehrten Zwischenzeugnisses mit der Note „gut“ war die klage ebenfalls unbegründet. Der Kläger hat zwar an sich einen Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses gem. § 109 GewO. Allerdings besteht der Anspruch nur insoweit, als der Arbeitnehmer ein „durchschnittliches“ Zeugnis begehrt. Soweit er eine bessere Leistung- und Führungsbeurteilung wünscht, ist er hierfür darlegungs- und beweispflichtig (BAG v. 18.11.2014 – 9 AZR 584/13, NZA 2015, 435). Der Kläger hat hierzu lediglich behauptet, seine Leistung und sein Verhalten seien vorbildlich und überdurchschnittlich und rechtfertigen daher in jeder Hinsicht eine gute Leistungs- und Verhaltensbeurteilung. Dieser Vortrag ist unsubstantiiert und lässt jede Konkretisierung vermissen, so dass er eine überdurchschnittliche Beurteilung nicht begründen kann. Auch das „gute“ Zwischenzeugnis vom 06.12.2018 kann keine gute Leistungs- und Verhaltensbeurteilung rechtfertigen. Dieses Zeugnis wurde zeitlich sowohl vor der berechtigten Abmahnung vom 25.04.2019 als auch vor dem zur Kündigung führenden Ereignis vom 26.02.2020 erstellt und kann schon aus diesem Grund keine geeignete Grundlage für eine gute Beurteilung mehr sein. Sonstige Gründe, warum der Kläger überdurchschnittliche Leistungen erbracht hat, wurden weder vorgetragen noch sind sie für die Kammer ersichtlich.

V. Zahlung 2.000 Euro

Auch in Bezug auf die begehrte Zahlung von 2.000 Euro war die Klage unbegründet. Der Kläger hat schon nicht dargetan, woraus sich der Zahlungsanspruch ergeben soll. Soweit er in seinem Schriftsatz vom 19.03.2020 behauptet, es handele sich um eine „vertraglich festgelegte“ Bonuszahlung, ist dieser Vortrag ohne Substanz. Weder lässt er die konkrete Anspruchsgrundlage noch deren Voraussetzungen erkennen. Andere Anspruchsgrundlagen, etwa eine betriebliche Übung, wurden ebenso wenig dargelegt.

VI. Schadenersatz

Schließlich war die Klage auch in Bezug auf den begehrten Schadensersatz für die Verletzung der Auskunftspflicht überwiegend unbegründet. Zwar hat die Beklagten den an sich gem. Art. 15 DSGVO auch in einem Arbeitsverhältnis bestehenden Auskunftsanspruch zunächst nicht erfüllt, obwohl der Kläger die Beklagte bereits durch anwaltliches Schreiben vom 09.03.2020 zur Auskunft aufgefordert hatte. Das Auskunftsbegehr ist nach Überzeugung der Kammer auch nicht rechtsmissbräuchlich. Zwar ist der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ein allgemeiner rechtsstaatlicher Rechtsgrundsatz (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG), der auch auf EU-Ebene gilt (vgl. Art. 8 Abs. 2 S. 1 EU-Grundrechts-Charta, Art. 5 Abs. 1 Buchst a DSGVO). Ein Rechtsmissbrauch wäre aber nur dann anzunehmen, wenn der Kläger seinen Schadensersatzanspruch allein und deshalb mit seinem Begehr, eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes zu erhalten, verknüpft hätte (vgl. hierzu Lembke, NJW 2020, 1841, 1845). Dies ist vorliegend aber nicht geschehen. Die Beklagte hat die Auskunft entgegen Art. 15 DSGVO auch nicht innerhalb von 4 Wochen seit Aufforderung erteilt. Sie hat erst durch Schriftsatz vom 16.06.2020, mithin mehr als 3 Monate nach Zugang des Auskunftsersuchens vom 09.03.2020, die begehrte Auskunft über die verarbeiteten personenbezogenen Daten erteilt. Die Voraussetzungen für die Zahlung von Schadenersatz gem. Art. 82 Abs. 1 DSGVO liegen daher vor.
Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass ein Schadenersatz von 500 Euro pro Monat der verspäteten Auskunft angemessen, aber auch erforderlich ist. Die betroffene Person soll einen vollständigen und wirksamen Schadenersatz für den erlittenen Schaden erhalten (EG 146 zur DSGVO). Verstöße müssen effektiv sanktioniert werden, damit die DSGVO wirken kann, was vor allem durch Schadenersatz in abschreckender Höhe erreicht wird (Wybitul/Haß/Albrecht, NJW 2018, 113). Gerichte können sich bei der Bemessung des immateriellen Schadenersatzes auch an Art, Schwere, Dauer des Verstoßes, Grad des Verschuldens, Maßnahmen zur Minderung des den betroffenen Personen entstandenen Schadens, frühere einschlägige Verstöße sowie die Kategorien der betroffenen personenbezogenen Daten betrachtet werden können (BeckOK Datenschutzrecht/Quaas, 31. Ed., Art. 31).

Diesen Grundsätzen entsprechend muss die Beklagte hier einen Schadensersatz in Höhe von insgesamt 1.500 Euro zahlen. Dabei hat die Kammer berücksichtigt, dass der Verstoß hier ca. 3 Monate andauerte, in denen der Kläger über die Datenverarbeitung durch die Beklagte im Ungewissen war. Außerdem sind die Anforderungen an die zu erteilende Auskunft nicht nur zeitlich, sondern auch inhaltlich verletzt, da die Beklagte die beantragte Auskunft – zunächst – gänzlich unterließ. Zu Gunsten der Beklagten war dagegen zu berücksichtigen, dass von fahrlässigen Verstößen auszugehen ist. Anhaltspunkte für Vorsatz, mithin die bewusste und gewollte verspätete Reaktion auf das Auskunftsgesuch wurden weder vorgetragen noch sind sie ersichtlich. Auch sind keine anderen Verstöße der Beklagten gegen die DSGVO dargetan. Darüber hinaus ist es aus Sicht der Kammer nicht überzeugend, die Höhe der Vergütung des Klägers in die Bemessung des Schadenersatzes einfließen zu lassen. Die Schwere des entstandenen immateriellen Schadens, der vor allem in der Ungewissheit über die Verarbeitung seiner Daten besteht, hängt nicht davon ab, wieviel der betroffene Arbeitnehmer verdient. Auch sind besondere Kategorien personenbezogener Daten i.S.d. Art. 9 DSGVO nicht substanziell betroffen. Der dem Kläger danach noch entstandene immaterielle Schaden ist daher nicht sehr groß. Unter Berücksichtigung all dessen hat die Kammer für jeden Monat der Verspätung jeweils 500 Euro angesetzt (vgl. ArbG Düsseldorf v. 05.03.2020 – 9 Ca 6557/18).), mithin insgesamt 1.500 Euro. Im Übrigen war die Klage als unbegründet abzuweisen.

 

Die Festsetzung des Streitwerts erfolgte gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG und spiegelt die zuletzt in der mündlichen Verhandlung am 11.08.2020 gestellten Anträge wider. Der hiernach maßgebliche Rechtsmittelstreitwert beruht für die gestellten Kündigungsschutzanträge zu 1 und 2 auf § 42 Abs. 2 S. 1 GKG. Der ursprüngliche Antrag zu 3 (Schleppnetzantrag) wurde nicht gestellt und bleib daher bei der Bewertung des Streitwerts außer Betracht. Der Antrag zu 4 (Weiterbeschäftigung) ist mit einem weiteren Bruttomonatsgehalt zu bewerten, ebenso wieder der Antrag zu 5 (Entfernung der Abmahnung) und der Antrag zu 6 (Zwischenzeugnis). Der Antrag zu 7 war mit seinem Nennwert (2.000 Euro) zu bewerten. Der Antrag zu 8 (Auskunft) wurde nicht gestellt. Der Antrag zu 9 (Schadenersatz) ist mit einem Bruttovierteljahresgehalt anzusetzen, da der Kläger Zahlung mindestens in dieser Höhe beantragt hatte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG i.V.m. § 92 Abs. 1 ZPO und orientiert sich an den jeweiligen Unterliegensquoten der Parteien. Dabei war zu berücksichtigen, dass der nicht mehr gestellte Antrag zu 3 („Schleppnetz“) keinen Einfluss auf den Kostenstreitwert hatte. Zudem hat die Beklagte die Kosten für den übereinstimmend für erledigt erklärten Antrag zu 8 (Auskunft) gem. § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG i.V.m. § 91a ZPO zu tragen. Insoweit ist es angemessen, dass die Beklagte die Kosten trägt, da der Kläger ursprünglich einen Anspruch auf Auskunft gem. Art. 15 DSGVO hatte (zum Umfang der Auskunftspflicht vgl. LAG Baden-Württemberg v. 20.12.2018 – 17 Sa 11/18). Die Beklagte hat diesen Anspruch indes erst durch Schriftsatz vom 16.06.2020 erfüllt, so dass der ursprünglich zulässige und begründete Antrag zu 8 sich nachträglich durch Erfüllung der Beklagten erledigt hat. Die Kammer hat diesen Auskunftsanspruch mit insgesamt 500 Euro bewertet (vgl. OLG Köln v. 5.2.2018 – 9 U 120/17, ZD 2018, 268).

Der hiernach insgesamt zu berücksichtigende Gesamtstreitwert übersteigt den Rechtsmittelstreitwert daher um 500 Euro.