Verstoß: Unberechtigte Datenweiterleitung an die Schufa
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BeschreibungEine Schufa-Meldung führte zu erheblichen Unannehmlichkeiten, da der betroffenen Person ein Dispositionskredit gekündigt, die Aufnahme eines neuen Kredits unmöglich gemacht wurde und der Betroffene seine finanzielle Situation offenlegen musste.
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AktenzeichenOLG Hamburg, Urteil vom 12.02.2025 - 13 U 11/24
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Kategorie(n)Schufa
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Betrag2500 €
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Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 2, vom 5.1.2024, Geschäfts-Nr. 302 0 95/23, unter Zurückweisung der Berufung im Obrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 2.579,40 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 4.2.2023 sowie weitere € 221,94 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.4.2023 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits 1. lnstanz tragen der Kläger 71,5 % und die Beklagte 28,5 %.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 65,5 % und die Beklagte 34,5 %.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 7.470,00 € festgesetzt.
Gründe:
I. Von der Darstellung des Tatbestandes sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gem. § 540 Abs. 2, 313a i.V.m. 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers hat in der Sache lediglich teilweise Erfolg.
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Ersatz immateriellen Schadens gem. Art. 82 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 DSGVO in Höhe von € 2.500,00.
Die Beklagte hat als ~Verantwortlicher" i.S.d. Art. 4 Nr. 7 DSGVO gegen ihre Pflichten aus Art. 5, 6 i.V.m. Art. 4 Abs. 2 DSGVO verstoßen, indem sie eine tatsächlich nicht bestehende Forderung gegen den Kläger in Höhe von € 4.405,00 an die Schufa gemeldet hat.
Hierdurch ist dem Kläger auch ein ersatzfähiger immaterieller Schaden entstanden. Das Landgericht hat insoweit zutreffend begründet, dass der immaterielle Schaden des Klägers in dem Verlust der Kontrolle über seine personenbezogenen Daten liegt und dass der Kläger durch die Übermittlung der - objektiv falschen - Daten an die Schufa bloßgestellt wurde.
Darüber hinaus ist nach den fehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts ein immaterieller Schaden auch durch die Kündigung des Dispositionskredits bei der HypoVereinsbank und der damit verbundenen organisatorischen Belastung hinsichtlich der kurzfristigen Beschaffung finanzieller Mittel in beträchtlicher Höhe entstanden.
Zur Bemessung des hiernach geschuldeten Schadenersatzes hat der EuGH (Urteil vom 4.5.2023, C-300/21, Rz. 54) festgestellt, dass die DSGVO keine Bestimmung enthält, die sich den Regeln fur die Bemessung des Schadenersatzes widmet, auf den eine betroffene Person nach Art. 82 DSGVO Anspruch hat, wenn ihr durch einen Verstoß gegen die Verordnung ein Schaden entstanden ist, und dass die Festlegung der Kriterien fur die Ermittlung des Umfangs des geschuldeten Schadenersatzes in Ermanglung einschlägiger unionsrechtlicher Vorschriften Aufgabe des Rechts des einzelnen Mitgliedsstaates ist. Anzuwenden ist damit insbesondere die Verfahrensvorschrift des§ 287 ZPO, dies allerdings unter Berücksichtigung von aus dem Unionsrecht folgenden Einschränkungen, vgl. BGH, Urteil vom 18.11.2024, VI ZR 10/24, Rz. 95-97:
aa) Die Modalitäten der Schadensermittlung dürfen bei einem - wie im Streitfall - unter das Unionsrecht fallenden Sachverhalt nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte regeln, die dem innerstaatlichen Recht unterliegen (Äquivalenzgrundsatz). Auch dürfen sie die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) (vgl. EuGH, Urteile vom 4. Oktober 2024 - C-507/23, juris Rn. 31 - Patērētāju tiesību aizsardzības centrs; vom 20. Juni 2024- C-182/22 und C-189/22, NJW 2024, 2599 Rn. 32 - Scalable Capital; vom 4. Mai 2023 - C-300/21, NJW 2023, 1930 Rn. 53 - Österreichische Post).
bb) In Anbetracht der Ausgleichsfunktion des in Art. 82 DSGVO vorgesehenen Schadenersatzanspruchs, wie sie in ErwG 146 Satz 6 DSGVO zum Ausdruck kommt, ist eine auf Art. 82 DSGVO gestützte Entschädigung in Geld als "vollständig und wirksam" anzusehen, wenn sie es ermöglicht, den aufgrund des Verstoßes gegen diese Verordnung konkret erlittenen Schaden in vollem Umfang auszugleichen; eine Abschreckungs- oder Straffunktion soil der Anspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO dagegen nicht erfüllen (vg EuGH, Urteil vom 20. Juni 2024- C-590/22, DB 2024, 1676 Rn. 42-PS GbR; vgl. auch EuGH, Urteile vom 4. Oktober 2024 - C-507/23, juris Rn. 43 f. - Patērētāju tiesību aizsardzības centrs; vom 20. Juni 2024 - C-182/22 und C-189122, NJW 2024, 2599 Rn. 23 - Scalable Capital; vom 11. April 2024 - C-741/21, NJW 2024, 1561 Rn. 59 - juris; vom 25. Januar 2024 - C-687/21, CR 2024, 160 Rn. 47- MediaMarktSaturn). Folglich darf weder die Schwere des Verstoßes gegen die Datenschutz-Grundverordnung, durch den der betreffende Schaden entstanden ist, berücksichtigt werden, noch der Umstand, ob ein Verantwortlicher mehrere Verstöße gegenüber derselben Person begangen (EuGH, Urteil vom 11. April 2024 - C-741/21, NJW 2024, 1561 Rn. 60 und 64 f.- juris) und ob er vorsätzlich gehandelt hat (EuGH, Urteil vom 20. Juni 2024- C-182/22 und C-189122, NJW 2024, 2599 Rn. 29 f.- Scalable Capital).
Im Ergebnis soll die Höhe der Entschädigung zwar nicht hinter dem vollständigen Ausgleich des Schadens zurückbleiben, sie darf aber auch nicht in einer Höhe bemessen werden, die Ober den vollständigen Ersatz des Schadens hinausginge (vgl. EuGH, Urteile vom 11. April 2024 - C-741/21, NJW 2024, 1561 Rn. 60-juris; vom 25. Januar 2024 - C-687I21, CR 2024, 160 Rn. 48 - MediaMarktSaturn). Ist der Schaden gering, ist daher auch ein Schadensersatz in nur geringer Höhe zuzusprechen (vgl. EuGH, Urteile vom 4. Oktober 2024- C-507/23, juris Rn. 35 - Patērētāju tiesību aizsardzības centrs; vom 20. Juni 2024 - C-182122 und C-189/22, NJW 2024, 2599 Rn. 45 f. - Scalable Capital). Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der durch eine Verletzung des Schutzes personenbezogener Oaten verursachte immaterielle Schaden seiner Natur nach nicht weniger schwerwiegend ist als eine Körperverletzung (vgl. dazu EuGH, Urteile vom 4. Oktober 2024- C-200/23, juris Rn. 151- Agentsia po vpisvaniyata; vom 20. Juni 2024 - C-182122 und C-189/22, NJW 2024, 2599 Rn. 39 - Scalable Capital).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erachtet der Senat vorliegend eine Entschädigung in Höhe von € 2.500,00 als angemessen, aber auch ausreichend zum Ausgleich des dem Kläger entstandenen Schadens.
Maßgeblich ist hierbei die Sensibilität der hier gemeldeten Daten. lhre Weitergabe ist nicht nur geeignet, die Teilnahme am Wirtschaftsverkehr erheblich zu beeinträchtigen, sondern hat hier auch konkret zu einer solchen Beeinträchtigung geführt, da - wie das Landgericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fehlerfrei festgestellt hat -- die HypoVereinsbank den dem Kläger und seiner Ehefrau eingeräumten und von den Eheleuten in voller Höhe in Anspruch genommenen Dispositionskredit aufgrund des negativen Schufa-Eintrags gekündigt hat mit der Folge, dass der Kläger und seine Frau sich darum bemühen mussten, den zum Ausgleich der Forderung der HypoVereinsbank nicht unerheblichen Betrag von € 18.000,00 innerhalb der von der HypoVereinsbank gesetzten Frist von einem Monat aufzubringen.
Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang nicht nur der mit diesen Bemühungen verbundene Zeitaufwand, sondern insbesondere auch der Umstand, dass der Klager und seine Frau zwangsläufig ihre finanzielle Situation weiteren Personen (nämlich ihren potentiellen Kreditgebern) offenbaren mussten. Dies betraf vorliegend nicht nur die Schwiegereltern des Klägers, sondern auch die Mitarbeiter der Sparkasse [] welche sich der Kläger, wie das Landgericht fehlerfrei festgestellt hat, zunächst wegen der Eröffnung eines neuen Kontos und der Gewährung eines Darlehens gewandt hatte. lnfolge dieser Anfrage ist, wie das Landgericht ebenfalls fehlerfrei festgestellt hat, der negative Schufa-Eintrag auch bei der Sparkasse [] bekannt geworden, was den Kläger auch dort als unzuverlässigen Schuldner erscheinen ließ.
Zu berücksichtigen sind ferner auch die - ebenfalls mit Zeitaufwand verbundenen - Bemühungen des Klägers um zum einen die Wiedereinräumung des Dispositionskredits bei der HypoVereinsbank und zum anderen die Beseitigung des negativen Schufa-Eintrages durch die Beklagte - insoweit war sogar die Anrufung des Gerichts zwecks Erlasses einer einstweiligen Verfügung erforderlich.
Nicht unberücksichtigt bleiben können schließlich auch die psychischen Auswirkungen der unberechtigten Meldung auf den Kläger. Auch wenn die Eintragung bei der Schufa lediglich rund zwei Monate bestand und der Dispositionskredit bei der HypoVereinsbank dem Kläger und seiner Ehefrau lediglich rund anderthalb Monate nicht zur Verfügung stand, erscheint es dem Senat ohne weiteres nachvollziehbar, dass sich der Kläger durch die von der Beklagten herbeigeführte Situation erheblich belastet gefühlt hat und auch Befürchtungen hinsichtlich des Fortbestandes der lmmobilienfinanzierung der Eheleute hatte, wie vom Kläger bei seiner Anhörung durch das Landgericht und der Ehefrau des Klägers bei ihrer erstinstanzlichen Zeugenvernehmung beschrieben.
Insgesamt erachtet der Senat hiernach eine Entschädigung in Höhe von € 2.500,00 als angemessen, aber auch ausreichend.
2. Hinsichtlich des geltend gemachten materiellen Schadens bleibt die Berufung ohne Erfolg.
Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht dem Kläger Schadenersatz nur in Höhe der Differenz zwischen den Zinsen, die für die lnanspruchnahme des Dispositionskredits bei der HypoVereinsbank angefallen waren und den im Rahmen des privaten Darlehens zu zahlenden Zinsen fur den Zeitraum vom 19.11.2022 bis zum 7.4.2023 zugesprochen.
Die insoweit vom Kläger mit der Berufung erhobenen Einwendungen greifen nicht durch. Allerdings macht der Kläger zu Recht geltend, dass die Voraussetzungen für eine Kündigung des Privatdarlehens nach § 488 Abs. 3 S. 2 8GB nicht vorlagen, da nach dem lnhalt des Darlehensvertrages gem. Anlage K 5 fur die Rückzahlung des Darlehens eine Zeit bestimmt war (Rückzahlung nach 18 Monaten). Jedoch ist nicht nur aufgrund der Bekundungen der Ehefrau des Klägers bei ihrer Vernehmung durch das Landgericht, sondern auch aufgrund der eigenen Angaben des Klägers gegenüber dem Senat davon auszugehen, dass die Schwiegereltern des Klägers ungeachtet der vertraglichen Regelungen bereit gewesen waren, eine vorzeitige Rückzahlung des Darlehens entgegenzunehmen. Zu dieser vorzeitigen Rückzahlung wäre der Kläger im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht nach Wiedereinräumung des Dispositionskredits durch die HypoVereinsbank wegen dessen niedrigeren Zinssatz verpflichtetgewesen. Dass, wie der Kläger bei seiner Anhörung durch den Senat weiter erklärt hat, er und seine Ehefrau aufgrund ihrer finanziellen Situation damals nicht in der Lage gewesen seien, das Darlehen vor dessen Endfälligkeit zurückzuzahlen, steht dem nicht entgegen, da dies nicht mehr Folge des Verstoßes der Beklagten gegen die DSGVO gewesen ist - vielmehr war mit der Wiedereinräumung des Dispositionskredites durch die HypoVereinsbankHypo wieder der Zustand hergestellt, der vor der durch die fehlerhafte Schufa-Meldung verursachten Kündigung des Kredits bestand.
Schon angesichts der eigenen Angaben des Klägers im Senatstermin, dass er und seine Ehefrau aufgrund ihrer finanziellen Lage auch nach Wiedereinräumung des Dispositionskredits nicht in der Lage gewesen seien, das Darlehen der Schwiegereltern vorzeitig zurückzuzahlen, kann der Kläger auch nicht erfolgreich geltend machen, dass aufgrund seines hohen Einkommens und des Einkommens seiner Ehefrau eine frühere Rückführung des Dispositionskredits konkret zeitnah möglich gewesen wäre.
3. Hinsichtlich des Anspruchs auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten wird zunächst auf die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Auf die berechtigte Forderung in Höhe von insgesamt € 2.579,40 beläuft sich die 0,75-Gebühr nebst Steuern und Auslagen auf € 221,94.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.