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Verstoß: Unberechtigte Datenweiterleitung an die Schufa

  • Beschreibung
    Eine Bank hatte zweimal trotz eindeutigen Bestreitens Forderungen an die Schufa gemeldet. Das Gericht sprach pro Verstoß 2.000,00 Euro zu.
  • Aktenzeichen
    OLG Hamburg, Urteil vom 10.01.2024 - 13 U 70/23
  • Kategorie(n)
    Schufa
  • Betrag
    4000 €

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 19.04.2023, Az. 318 O 56/22, unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von € 4.000,- sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von € 498,57 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7.4.2022 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten der ersten Instanz tragen der Kläger 60% und die Beklagte 40%. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu 36% und der Beklagten zu 64% auferlegt.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die angefochtene Entscheidung ist nach Maßgabe der Ziffer 1 ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf € 7.500,- festgesetzt.

Gründe

I. Von der Darstellung des Parteivorbringens sowie der gestellten Anträge wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a i.V.m. 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO abgesehen.

II. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers hat in der Sache teilweise Erfolg.

Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Ersatz immateriellen Schadens gem. Art. 82 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 DSGVO in Höhe von insgesamt € 4.000,00.

Die Beklagte hat als „Verantwortlicher“ i.S.d. Art. 4 Nr. 7 DSGVO gegen ihre Pflichten aus Art. 5, 6 i.V.m. Art. 4 Abs. 2 DSGVO verstoßen, indem sie ihre Forderungen gegen den Kläger zweimal an die Schufa gemeldet hat, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen, welchen sich das Berufungsgericht vollen Umfangs anschließt.

Hierdurch ist dem Kläger auch ein ersatzfähiger immaterieller Schaden entstanden. Das Landgericht hat sorgfältig und überzeugend begründet, dass der Kläger durch die zweifache unberechtigte Meldung an die Schufa eine Beeinträchtigung seines sozialen Ansehens durch die Darstellung als unzuverlässiger Schuldner hinnehmen musste.

Der Kläger hat zudem belegt, dass sich aus der Auskunft der Schufa und der verschlechterten Einschätzung des Bonitätsrisikos konkrete negative Konsequenzen in Bezug auf die Gewährung eines Kredits durch die I. (Anlage K16) sowie die Sperrung seiner Kreditkarte bei der H. Bank (Anlage K 17) ergeben haben.

Bei der Bemessung des danach zuzuerkennenden Schmerzensgeldes sind nach Auffassung des Berufungsgerichts jedoch nicht alle Umstände hinreichend gewichtet worden.

Der EuGH (Urteil vom 4.5.2023, C-300/21, Rz. 51) hat zur Bemessung des geschuldeten Schadenersatzes festgestellt, dass die DSGVO keine Bestimmung enthält, die sich den Regeln für die Bemessung des Schadenersatzes widmet, auf den eine betroffene Person nach Art. 82 DSGVO Anspruch hat, wenn ihr durch einen Verstoß gegen die Verordnung ein Schaden entstanden ist, und dass … die Festlegung der Kriterien für die Ermittlung des Umfangs des geschuldeten Schadenersatzes in Ermanglung einschlägiger unionsrechtlicher Vorschriften Aufgabe des Rechts des einzelnen Mitgliedsstaates ist, wobei der Äquivalenz- und der Effektivitätsgrundsatz zu beachten sind.

Maßgeblich sind hiernach die im deutschen Recht für die Schmerzensgeldbemessung maßgeblichen Kriterien, womit die Höhe des Ersatzanspruchs auf Grund einer Würdigung der Gesamtumstände des Falls unter Berücksichtigung der dem Schmerzensgeld zukommenden Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion festzusetzen ist.

Danach muss zum einen dem Umstand, dass auf Seiten der Beklagten jedenfalls bedingter Vorsatz angenommen werden muss, besondere Bedeutung beigemessen werden. Die Beklagte hat die erste Meldung vorgenommen, obwohl der Kläger die Forderung auf ihren eigenen Hinweis hin, dass eine Meldung an die Schufa (nur dann) erfolgen werde, sofern er die Forderung nicht bestritten habe, mit Schreiben vom 1.12.2019, Anlage K 7, ausdrücklich bestritten hat. Auch die zweite Meldung erfolgte trotz weiteren Bestreitens durch den Kläger (Schreiben vom 29.12.2019, Anlage K 11), seiner Aufforderung zur Löschung und einer zwischenzeitlich erfolgten Löschung durch die Schufa selbst (Anlage K 14). Ein solches Verhalten kann nicht anders gedeutet werden, als dass die Beklagte wissentlich und jedenfalls unter billigender Inkaufnahme des als möglich erkannten pflichtwidrigen Erfolges ihre Pflichten aus der DSGVO verletzt hat. Hinzu kommt, dass die Beklagte sich trotz Aufforderung durch den Kläger und Darlegung der Rechtswidrigkeit der Meldung geweigert hat, den Negativeintrag zu widerrufen.

Unter Berücksichtigung der dargestellten Umstände und im Hinblick auf einen kürzlich vom Senat entschiedenen vergleichbaren Fall, wo es weder zu konkreten Auswirkungen durch die Schufa-Meldung gekommen war noch ein vorsätzliches Vorgehen der Beklagten festgestellt werden konnte (13 U 71/21) und vom Senat ein Schmerzensgeld in Höhe von € 1.000,- je Meldung zuerkannt worden war, wird ein deutlich höherer Betrag in Höhe von € 2.000,- je Meldung, mithin insgesamt € 4.000,00 als angemessen, aber auch als ausreichend erachtet, so dass die weitergehende Berufung zurückzuweisen ist.

2.) Teilweise begründet ist die Berufung auch hinsichtlich der geltend gemachten außergerichtlichen Anwaltskosten. Angesichts der bis zur Löschung abzuwartenden Schadensentwicklung war der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht gehalten, den Schadensersatzanspruch gleichzeitig mit dem Löschungsverlangen geltend zu machen. Dass der gegenüber der Beklagten geltend gemachte und von dieser beglichene Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten möglicherweise auf der Grundlage eines zu hoch angesetzten Streitwerts und unter Zugrundelegung eines zu hohen Gebührensatzes berechnet worden ist, ist unerheblich, da dies zwischen den Parteien nicht im Streit steht.

Der Anspruch auf Zahlung von vorgerichtlichen Anwaltskosten besteht jedoch lediglich in der tenorierten Höhe. Hierzu gilt zunächst, dass der Geschäftswert der vorgerichtlichen Tätigkeit sich grundsätzlich nur aus der berechtigten Hauptsacheforderung berechnet. Berechtigt ist die Forderung bezüglich des geltend gemachten immateriellen Schadensersatzanspruchs, wie zuvor ausgeführt, lediglich in Höhe von € 4.000,-. Zu berücksichtigen ist hier jedoch, dass die Höhe der Forderung letztlich vom gerichtlichen Ermessen abhängt. Der Senat schließt sich hierzu der Auffassung des OLG München vgl. i.E. Urteil vom 23.2.2022, 7 U 1195/21, juris Rz. 50, 54 f) an, dass bei einem Schmerzensgeldbegehren eine Zuvielforderung von 20 % kostenrechtlich unschädlich ist und der Kläger daher so zu stellen ist, als hätte er mit € 4.800,- (= 120 % von € 4.000,00) obsiegt. Zuzüglich des geltend gemachten materiellen Schadensersatzes in Höhe von € 4.771,39 ergibt sich somit ein Streitwert von € 9.571,39.

Ferner erachtet das Berufungsgericht lediglich eine 1,3-Gebühr für die vorgerichtliche Tätigkeit als angemessen. Nach dem gesetzlichen Gebührentatbestand in Nr. 2300 VV-RVG kann eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Dies ist vorliegend nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass selbst nach Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts der Umfang, die Tragweite und die Anforderungen an den immateriellen Schadenersatzanspruch nach der DSGVO noch nicht geklärt seien, reicht insoweit nicht aus, zumal nicht zu erkennen ist, dass im Rahmen der vorgerichtlichen Tätigkeit eine Auseinandersetzung mit den insoweit offenen Frage erfolgt ist.

Die Geschäftsgebühr beläuft sich hiernach auf € 725,40. Da der Kläger Ersatz des nach Anrechnung gem. Vorb. 3 Abs 4 VV RVG verbleibenden Rests der Geschäftsgebühr in Höhe 0,55 (zuzüglich Auslagen und MwSt) verlangt, ist die Klage in Bezug auf die Anwaltskosten lediglich in Höhe von € 498,57 (0,55 von € 725,40 = € 398,97 + € 20,00 Auslagen + € 79,60 MwSt) nebst Rechtshängigkeitszinsen begründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, wobei auch hier berücksichtigt ist, dass eine Zuvielforderung von 20 % kostenunschädlich ist (s.o.).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.