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Verstoß: Unerlaubte Datenweiterleitung an die Schufa

  • Beschreibung
    Die Telekom hatte zunächst Rechnungen an eine falsche Adresse gesendet und sodann die Schufa über die ausbleibende Zahlung informiert. Obwohl die Schuld später bezahlt wurde, löschte die Schufa den Eintrag zunächst nicht.
  • Aktenzeichen
    LG Hannover, Urteil vom 14.02.2022 – 13 O 129/21
  • Kategorie(n)
    Schufa
  • Betrag
    5000 €

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.04.2021 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 282,15 € freizustellen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 71% und die Beklagte zu 29%.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schmerzensgeld aufgrund eines Negativeintrags zu Lasten des Klägers in der Auskunftei der Beklagten.

Der Kläger hatte mit der Telekom Deutschland GmbH (nachfolgend: Telekom) unter der Meldeadresse seiner Eltern einen Mobilfunkvertrag abgeschlossen, den sein Bruder nutzte. Im November / Dezember 2017 konnten die fälligen Beträge aus dem Vertragsverhältnis von der Telekom nicht abgebucht werden. Der Kläger wohnte zu dieser Zeit bereits nicht mehr bei seinen Eltern. Die Telekom veranlasste wegen der Forderungen im Januar 2018 einen Negativeintrag bei der Beklagten (auf Anlage K1 im Anlagenband Kläger wird Bezug genommen). Zum April 2018 kündigte die Telekom den Vertrag. Anlässlich eines Besuchs bei seinen Eltern erfuhr der Kläger dann im März 2018 durch ein Inkasso-Schreiben von der Forderung. Im April 2018 glich der Kläger die Forderung aus. Im April 2019 nahm er Kontakt zur Beklagten auf, um den Negativeintrag löschen zu lassen. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 12.04.2019 (auf Anlage K2 im Anlagenband Kläger wird Bezug genommen) ab und verwies darauf, dass die Adresse „… Berlin“ bestätigt worden, Postrückläufer jedoch nicht zu verzeichnen gewesen seien. Mit anwaltlichem Schreiben vom 28.06.2019 ließ der Kläger die Telekom und die Beklagte zur Löschung bzw. zum Widerruf der Datenmeldung auffordern (auf Anlagen K3 und K4 im Anlagenband Kläger wird Bezug genommen). Die Telekom lehnte das mit Schreiben vom 03.07.2019 unter Hinweis auf die Berechtigung zum Eintrag ab, da die Forderung zunächst nicht bezahlt worden sei (auf Anlage K5 im Anlagenband Kläger wird Bezug genommen). Sie verwies dabei auch auf zwei Mahnschreiben vom 27.11.2017 und 13.12.2017. Mit Schreiben vom 12.07.2019 lehnte die Beklagte eine Löschung des Eintrages ab (auf Anlage K6 im Anlagenband Kläger wird Bezug genommen). Mit Klageschrift vom 28.05.2020 reichte der Kläger beim Landgericht Hannover Klage auf Löschung des Negativeintrages ein, in der das Anerkenntnisurteil vom 25.01.2021 – 13 O 133/20 – erlassen wurde. Da der Negativeintrag am 04.03.2021 noch immer gespeichert war (auf Anlage K7 im Anlagenband Kläger wird Bezug genommen), ließ der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 09.03.2021 zur Erfüllung des Anerkenntnisurteils auffordern. Mit Schreiben vom 15.03.2021 teilte die Beklagte mit, dass die Löschung vorgenommen sei; er war in einer Auskunft vom 07.09.2021 nicht mehr enthalten (auf Anlage K17 im Anlagenband Kläger wird Bezug genommen). Mit Schreiben vom 23.03.2021 ließ der Kläger von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von insgesamt 17.500,00 € fordern, dessen Zahlung die Beklagte mit Schreiben vom 09.04.2021 (auf Anlage K12 im Anlagenband Kläger wird Bezug genommen) ablehnte.

Streitig ist zwischen den Parteien, ob und inwieweit Darlehen aufgrund des Eintrags nicht oder nicht so gewährt wurden, wie sie ohne diesen Eintrag gewährt worden wären.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, angemessenen Schadensersatz zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 1.000,00 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.04.2021 für den Zeitraum vom 10.01.2018 bis zum 12.04.2019,

2. die Beklagte zu verurteilen, angemessenen Schadensersatz zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 9.500,00 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.04.2021 für den Zeitraum vom 13.04.2019 bis zum 25.01.2021,

3. die Beklagte zu verurteilen, angemessenen Schadensersatz zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 7.000,00 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.04.2021 für den Zeitraum vom 26.01.2021 bis zum 15.03.2021,

4. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von dem verbleibenden Rest der entstandenen außergerichtlichen Geschäftsgebühr gemäß §§ 13, 14 Nr. 2300 W RVG in Höhe von 711,03 Euro nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Eintrag nicht rechtswidrig gewesen sei, weil die Mahnungen der Telekom an die Eltern des Klägers übersandt und ihm damit auch ohne seine Kenntnis zugegangen sei. Zudem habe der Kläger keinen kausalen Schaden nachgewiesen. Schließlich treffe die Beklagte bis zum Anerkenntnisurteil auch kein Verschulden, sie habe davon ausgehen dürfen, dass der Eintrag der Telekom rechtmäßig gewesen sei.

Gründe

I.

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.

A. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Hannover örtlich gemäß § 44 Abs. 1 BDSG zuständig.

B. Die Klage ist in Höhe eines Betrages von 5.000,00 € (nachfolgend zu 1.) nebst Verzugszinsen (nachfolgend zu 2.) sowie im Hinblick auf die Freistellung des Klägers von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 282,15 € (nachfolgend zu 3.) begründet. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen (nachfolgend zu 4.).

Im Einzelnen:

1. Der Kläger kann von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von 5.000,00 € aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO verlangen.

a. Die von der Telekom veranlassten Negativeinträge vom 10.01.2018 haben den Kläger rechtswidrig in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt.

Eine nicht von den Bestimmungen des zum Zeitpunkt des Negativeintrags insoweit noch maßgeblichen § 28a BDSG (Art 6 Abs. 1 Buchst. f DSGVO (i.V.m. § 31 BDSG n.F.) gilt gern, deren Art. 99 Abs. 2 ab dem 25.05.2018) gedeckte Übermittlung personenbezogener Daten stellt eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar, das als sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB Schutz genießt (BGH, Urteil vom 07.07.1983- III ZR 159/82-, Rn. 14, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.09.2014- 1-16 U 7/14-, Rn. 5, juris). Nach § 4 Abs. 1 BDSG a.F. ist die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nur zulässig, soweit das BDSG oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat. Eine Einwilligung hat der Kläger nicht erteilt. Deswegen ist die Übermittlung der Daten aus dem Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und der Telekom an die Beklagte an § 28a BDSG a.F. zu messen. Vorliegend scheitert deren Zulässigkeit schon an der Voraussetzung des § 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. a) BDSG a.F., weil sich nicht feststellen lässt, dass die Telekom den Kläger mindestens zweimal schriftlich gemahnt hat.

Die Darlegungs- und Beweislast für die Zulässigkeit der Übermittlung von Daten trägt grundsätzlich die übermittelnde Stelle (vgl. OLG Köln, Urteil vom 21.10.2014 – 1-15 U 107/14-, Rn. 59, juris; OLG Düsseldorf a.a.O., Rn. 5; LG Lüneburg, Urteil vom 14.07.2020- 9 O 145/19-, Rn. 31, 47) resp. vorliegend die Beklagte als die die Daten verarbeitende Stelle i.S.v. § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BDSG a.F. Im Übrigen beruft sich die Beklagte auf die Mahnungen als ihr günstige – weil sie zur Aufnahme des Negativeintrags in ihre Auskunftei berechtigende – Tatsache und trägt damit auch nach allgemeinen Grundsätzen die Last des Beweises (vgl. Arnold in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 130 BGB, Rn. 33).

Soweit die Telekom Mahnungen an den Kläger unter dessen seinerzeit für ihn nicht mehr aktuelle Anschrift (nur noch) seiner Eltern gesandt hat, lässt sich deren Zugang beim Kläger unabhängig davon nicht feststellen, ob diese den Eltern des Klägers zugegangen sind. Der Kläger mag durch sein Verhalten, seine neue Adresse nicht an seine Vertragspartner mitgeteilt zu haben, eine Ursache dafür gesetzt haben, dass ihn die an ihn gerichtete Post und damit auch die Mahnungen nicht erreicht haben. Das ändert aber nichts daran, dass sich ein Zugang beim Kläger nicht feststellen lässt und ist für die Frage der Zulässigkeit der Datenverarbeitung zunächst ohne Belang. Nach dem Sinn und Zweck der in § 28 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. a) bis c) BDSG aufgestellten Erfordernisse reicht eine bloße Versendung von Mahnungen nicht aus; vielmehr ist grundsätzlich ein Zugang beim Betroffenen erforderlich, um die beabsichtigte Warnfunktion zu erfüllen und diesem so entweder einen Ausgleich der Forderung zu ermöglichen oder ihn in die Lage zu versetzen, Einwendungen gegen die Forderung zu erheben (vgl. BR-Drs. 548/08, S. 25 f.); dabei obliegt auch allein dem Absender der Nachweis eines Zugangs von ihm versandter Schreiben, der das durch es ein geeignetes Versandverfahren sicher stellen könnte; das wäre im Hinblick auf die Folgen einer negativen Eintragung im Hinblick auf die Kreditwürdigkeit des Betroffenen auch ohne weiteres zumutbar und der Mahnende trägt das Risiko, wenn er sich so der Möglichkeit des Nachweises begibt; auch ein Anscheinsbeweis greift insofern grundsätzlich nicht ein, weil es vielfache Ursache dafür geben kann, dass ein Schreiben den Empfänger nicht erreicht (vgl. OLG Köln, a.a.O., Rn. 59, juris).

b. Die Beklagte hat gegen Art. 6 Abs. 1 DSGVO durch die nicht im Sinne der Vorschrift rechtmäßige Datenverarbeitung verstoßen, weil diese gemessen an §§ 28a Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a), 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BDSG a.F. bzw. § 31 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. a) BDSG n.F. (auch wenn diese Neufassung nicht mehr die Übermittlungsvoraussetzungen definiert, sondern nur Anforderungen an den Datenkranz, der für die Ermittlung von Wahrscheinlichkeitswerten verwendet werden darf, so werden dadurch die Übermittlungsvoraussetzungen doch zumindest mittelbar bestimmt und in gewisserWeise durch den Gesetzgeber fortgeschrieben, vgl. Kamlah in: Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, § 31 BDSG, Rn. 49) mangels (nachgewiesener) Mahnungen des Klägers durch die Telekom nicht rechtmäßig war.

c. Soweit der Kläger mithin in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt ist, bedarf es keiner Feststellung, dass es sich dabei um eine schwerwiegende handelt.

Anders als für die Zubilligung eines Schmerzensgeldes nach §§ 823 Abs. 1, 249, 253 BGB, Art 1 und 2 GG wird eine solche von Art. 82 GG nicht vorausgesetzt (vgl. (BeckOK DatenschutzR/Quaas, 38. Ed. 1.11.2021, DS-GVO Art. 82 Rn. 32; Gola DS-GVO/Gola/Piltz, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 82 Rn. 13; LG Hamburg, Urteil vom 04.09.2020 – 324 S 9/19 -, Rn. 34, juris; LG Lüneburg, a.a.O., Rn. 55, juris).

d. Die Beklagte hat auch schuldhaft gehandelt.

Ein solches Verschulden ist – wie nach Auffassung der Kammer schon Art. 82 Abs. 3 DSGVO zeigt – auch im Rahmen einer Haftung nach Art. 82 DSGVO erforderlich und wird zunächst mit der Möglichkeit einer Exkulpation vermutet (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 31.03.2021 – 9 U 34/21 -, Rn. 43, juris; LG Karlsruhe, Urteil vom 02.08.2019- 8 O 26/19-, Rn. 15, juris; Gola DS-GVO, a.a.O., Rn. 9; BeckOK DatenschutzR, a.a.O., Rn. 17; a.A. wohl: BAG, EuGH-Vorlage vom 26.08.2021 – 8 AZR 253/20 (A) -, Rn. 39, juris).

Daran gemessen traf die Beklagte zunächst nicht der Vorwurf eines schulhaften Verhaltens, weil ihr die Prüfung der Voraussetzung der Übermittlung in § 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. a) BDSG a.F. zunächst nicht oblag (vgl. LG Stuttgart Urt. v. 15.05.2002 – 21 O 97/01, BeckRS 2002, 31212889, beck-online). Die Beklagte musste mithin nicht ohne irgendeinen Anhaltspunkt überprüfen, ob der Kläger nach Eintritt der Fälligkeit der Forderung der Telekom mindestens zweimal schriftlich gemahnt worden war, sondern durfte sich vielmehr darauf verlassen, dass die Telekom als übermittelnde Stelle das getan hatte.

Die Beklagte hatte dann aber Anlass zur Prüfung dieser Frage, nachdem ihr der Kläger im April 2019 mitgeteilt hatte, dass er nicht gemahnt worden sei, die Voraussetzungen für die Negativeinträge also – jedenfalls aus seiner Sicht – nicht Vorlagen. Soweit sie mangels der Kenntnis der Problematik der Mahnungen und ihres Zugangs beim Kläger deswegen bis dahin i.S.v. Art. 82 Abs. 3 DSGVO exkulpiert war und (noch) nicht schuldhaft handelte, gelingt ihr das für die Zeit ab April 2019 nicht mehr und das Verschulden der Beklagten seitdem ist zu vermuten. Die Beklagte hatte ab April 2019 Anlass, die Frage der Rechtmäßigkeit zu prüfen. Die ihr obliegende Sorgfalt hätte das auch erfordert und die Beklagte handelte seitdem mindestens fahrlässig, solange sie das nicht tat.

e. Der Kläger hat auch einen immateriellen Schaden erlitten.

Es kann dahinstehen, ob auch unter Berücksichtigung des weiten Schadensbegriffs (vgl. Erwägungsgrund 146) nicht bereits jeder Verstoß gegen die DSGVO zu einer Ausgleichspflicht führt, weil der Verpflichtung zum Ausgleich eines immateriellen Schadens eine benennbar und insoweit tatsächliche Persönlichkeitsverletzung gegenüberstehen muss (LG Hamburg, a.a.O.-, Rn. 33 f., juris). Denn jedenfalls eine in einer unrechtmäßigen Zugänglichmachung von Daten liegenden „Bloßstellung“ stellt eine solche dar (vgl. LG Hamburg, a.a.O.; LG Karlsruhe, a.a.O., Rn. 19, juris; LG Lüneburg, a.a.O., Rn. 55; Ehmann/Selmayr/Nemitz, DS-GVO, 2. Auflage, Art. 82 Rn. 13).

Die Beklagte hat daran gemessen, die mit den Negativeinträgen verbundenen Daten ihren Vertragspartnern zum Abruf bereit- und schon dadurch den Kläger „bloßgestellt“. Bei der Beklagten handelt es sich um eine Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung, ein Warnsystem der Kreditwirtschaft, dessen Aufgabe es ist, ihren Vertragspartnern Informationen zur Verfügung zu stellen, um sie vor Verlusten im Kreditgeschäft mit natürlichen Personen zu schützen (vgl. dazu OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.02.2015- 1-16 U 41/14-, Rn. 28, juris). Innerhalb dieses Systems hat die Beklagte die Daten nicht nur zur Verfügung gestellt, sie wurden ausweislich der Auskunft vom 04.03.2021 auch mehrfach und sowohl im Kontext privater Anfragen als auch bezogen auf die Tätigkeit des Klägers als Inhaber einer Physiotherapiepraxis abgerufen. Darauf, ob die Negativeinträge auch dazu führten, dass dem Kläger kein Kredit oder ein solcher zu anderen (schlechteren) Bedingungen gewährt wurde als er ohne die Einträge gewährt worden wäre, kommt es indes für den immateriellen Ersatzanspruch nicht an.

f. Die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers rechtfertigt und erfordert die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 5.000,00 €.

aa. Für den immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO gelten die im Rahmen von § 253 BGB entwickelten allgemeinen Grundsätze (BeckOK DatenschutzR/Quaas, a.a.O., Rn. 31; Gola DS-GVO, a.a.O., Rn. 9). Deswegen kann auch das Mitverschulden des Betroffenen analog § 254 BGB bei der Bemessung der Schadensersatzhöhe zu berücksichtigen sein (vgl. BeckOK DatenschutzR/Quaas, a.a.O., Rn. 28; Ehmann/Selmayr/Nemitz, a.a.O., Rn. 15; a.A. wohl Kühling/Buchner/Bergt, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 82; BAG, a.a.O.).

bb. Vorliegend rechtfertigt der Verstoß der Beklagten unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Einzelfalls ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,00 €.

(1) Die Daten zur Bonität des Klägers sind schützenswerte und sensible Daten, die sowohl seine berufliche Tätigkeit als auch seine Kreditwürdigkeit im privaten Rahmen betreffen. Sie können maßgeblichen negativen Einfluss auf die Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr in diesen Bereichen haben, indem Kredite versagt oder vom Kläger angestrebte Verträge mit ihm nicht abgeschlossen werden. Dass die Beklagte als Warnsystem der Kreditwirtschaft mit ihren Auskünften und dem ersichtlich zu diesem Zweck und auf der Grundlage der Einträge ja errechneten Basisscore (der -wenn auch die Algorithmen zu dessen Bildung nicht bekannt sind und der Wert damit nicht nachvollziehbar ist – sich am 25.04.2019 auf 55,2% (vgl. Anlage K1), am 04.03.2021 auf 69,56 € (vgl. Anlage K7) und am 07.09.2021 und mithin nach Löschung der Negativeinträge auf 91,79% belief) auf derartiges keinen Einfluss ausübt, wird man nicht ernsthaft annehmen können. Dieser Einfluss – ohne dass es im Rahmen eines immateriellen Anspruchs der konkreten Feststellung der materiellen Nachteile bedarf – ist auch von einigem Gewicht; zutreffend weist das LG Lüneburg darauf hin, dass dadurch mittelbar Grundrechte wie die Berufsfreiheit und die allgemeine Handlungsfreiheit beeinträchtigt werden können (LG Lüneburg, a.a.O., Rn. 58).

(2) Für die Bemessung des Schmerzensgeldes sind die Negativeinträge sind April 2019 bis zur Löschung wohl kurz nach dem 04.03.2021 zu berücksichtigen und hatten damit ungefähr zwei Jahre Bestand.

(3) Sie fielen auch in einen Zeitraum, der aufgrund der Corona-Pandemie ohnehin für am Wirtschaftsleben Teilnehmende mit großen wirtschaftlichen Risiken und Probleme verbunden war, der Kläger war damit für die Folgen der Negativauskünfte in besonderem Maße anfällig.

(4) Weiter ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Beklagte zwar einerseits zunächst kein erhebliches Verschulden traf, mit zunehmender Dauer des rechtswidrigen Zustandes ab den ersten Hinweisen durch den Kläger im April 2019 über die Klageerhebung im Mai 2020 ihr die Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihres Handelns hätten immer stärker hätten aufkommen müssen. Das gilt ganz besonders für die Zeit nach Erlass des Anerkenntnisurteils vom 25.01.2021 und dem Umstand, dass die Negativeinträge auch am 04.03.2021 noch gespeichert waren.

(5) Gleichermaßen kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger eine zu den Negativeinträgen führende Ursache selbst gesetzt hat. Dadurch, dass er der Telekom die Änderung seiner Adresse nicht mitgeteilt hat, hat er ihr die Möglichkeit genommen, ihn mit ihren Mahnungen auf dem zwar im Hinblick auf den Nachweis des Zugangs riskanten, aber immerhin ganz üblichen Versandweg eines einfachen Briefs auch zu erreichen. Das Verhalten des Klägers nach Kenntnis von den Rückständen lässt vermuten, dass es dann sogleich zum Ausgleich der Forderungen der Telekom gekommen wäre und die Negativeinträge nicht lanciert worden wären.

cc. Nach alledem ist-wie geschehen – ein einheitliches Schmerzensgeld zu bilden.

Die vom Kläger vorgenommene Berechnung nach Zeitabschnitten ist mithin nicht vorzunehmen. Soweit eine Bemessung eines Schmerzensgeldes nach (zwei) Zeitabschnitten ausnahmsweise dann vorgenommen werden kann, wenn es einerseits um die Zahlung von Kapital und andererseits um Rente geht (vgl. BGH, Urteil vom 08.06.1976 – VI ZR 216/74 -, juris), kommt eine solche im Übrigen und insbesondere bei einer Zahlung (nur) von Kapital nicht in Betracht (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 11.02.2000 – 9 U 204/99 -, Rn. 17, juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.04.2020 -15 W 18/20 -, Rn. 17 -18, juris; jeweils m.w.N.).

2. Der Kläger kann Verzugszinsen ab dem 10.04.2019 aufgrund des ablehnenden Schreibens der Beklagten vom 09.04.2019 gern. §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB verlangen, wobei entsprechend § 187 Abs. 1 BGB die Verzinsung erst an dem auf den Verzugseintritt folgenden Tag beginnt (vgl. Staudinger/Repgen (2019) BGB § 187, Rn. 5; Grünberg-Ellenberger, Bürgerliches Gesetzbuch, 81. Aufl., Rn. 1 zu § 187 m.w.N.).

3. Schließlich hat der Kläger einen Anspruch auf Freistellung der zur Rechts Verfolgung erforderlichen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Bei einem Gegenstandswert von 5.000,00 € (maßgeblich ist der berechtigte Teils der außergerichtlich geltend gemachten Forderung (vgl. BGH, Urteil vom 18.07.2017 -VI ZR 465/16 -, Rn. 7, juris; BGH, Urteil vom 12.12.2017 – VI ZR 611/16 -, Rn. 5, juris)) belaufen sich diese nach §§13 Abs. 1, i.V.m. Nrn. 2300, 7002, 7008 VV RVG auf die angemessene 1,3 Geschäftsgebühren nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer unter Anrechnung einer 0,65 Geschäftsgebühr gern. Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG, § 15a RVG, mithin auf (217,10 € + 20,00 € + 45,05 € =) 282,15 €.

4. Im Übrigen ist die Klage nach Vorstehendem und deswegen abzuweisen, weil der Kläger auch die Zahlung von Prozess- oder auch Verzugszinsen auf die von ihm seinen Prozessbevollmächtigten geschuldeten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten Kläger nicht verlangen kann. Da er die Zahlung unmittelbar an seine Prozessbevollmächtigten begehrt, macht er insoweit einen Freistellungsanspruch geltend. Freistellungsansprüche fallen aber nicht unter § 288 BGB, da sie Handlungspflichten begründen (Hager in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 288 BGB, Rn. 6, m.w.N.).

II.

Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung vom 21.01.2022 am 07.02.2022 eingegangene Schriftsatz vom gleichen Tag gibt keinen Anlass zur Wiedereröffnung der Verhandlung gern. § 156 ZPO.

III.

Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO.