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Verstoß: Nutzung von Videoaufnahmen einer Arbeitnehmerin ohne wirksame Einwilligung

  • Beschreibung
    Eine Arbeitnehmerin hatte an einem Videodreh für ein Werbevideoteilgenommen, jedoch keine wirksame Einwilligung abgeben. Für die unerlaubte Nutzung wurde ihr Schmerzensgeld zugesprochen. Die Entscheidung wurde angefochten, jedoch durch das LAG Schleswig-Holstein (Beschluss vom 01.06.2022, 6 Ta 49/22) gehalten
  • Aktenzeichen
    ArbG Kiel, Beschluss vom 28.04.2022, 2 Ca 82 e/22
  • Kategorie(n)
    Arbeitnehmer, Videoüberwachung
  • Betrag
    2000 €

Tenor:

Der Klägerin wird für den Antrag zu 1) aus der Klageschrift vom 31.01.2022 (Zahlung 1.366,51), den Antrag zu 2) aus der Klageerweiterung vom 02.02.2022 (Unterlassung) sowie für den Antrag zu 3) aus der Klageerweiterung vom 02.02.2022 (Zahlung Schmerzensgeld) im Umfang von 2.000,00 Euro Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt G. als Prozessbevollmächtigter beigeordnet. Die Klägerin hat derzeit keine Zahlungen auf die Prozesskosten zu leisten. Im Übrigen wird der Antrag auf Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Klägerin war vom 08.09.2021 bis zum 31.12.2021 als Pflegehelferin bei der Beklagten beschäftigt, die einen mobilen Pflegedienst betreibt.

Während des Arbeitsverhältnisses ließ die Beklagte ein 36-sekündiges Werbevideo für ihr Unternehmen drehen. Die Klägerin nahm an dem Videodreh teil. Sie ist in dem Video zunächst unscharf und ab Sekunde 0:11 in Ganzkörperaufnahme zu sehen, wie sie in ein Auto einsteigt, auf dem „Wir suchen Pflegekräfte“ zu lesen ist und ein Audiooverlay sagt „Steige jetzt mit ein!“. Danach ist ab 0:13 die Klägerin scharf und in Portraitgröße im Auto sitzend zu erkennen, während das Audiooverlay „zwischenmenschliche Beziehungen“ anpreist.

Die Klägerin erklärte sich mündlich zum Videodreh bereit, erteilte aber keine schriftliche Einwilligung und wurde auch nicht über den Zweck der Datenverarbeitung und ihr Widerrufsrecht vorab per Textform informiert.

Die Beklagte veröffentlichte das Video im Internet auf der Plattform „youtube“.

Nachdem die Klägerin das Arbeitsverhältnis durch Eigenkündigung zum 31.12.2021 beendet hatte, hat sie mit Klage vom 31.01.2022 die Zahlung von Überstundenvergütung, Zuschlägen und Urlaubsabgeltung geltend gemacht. Erstmals mit Klageerweiterung vom 02.02.2022 hat sie von der Beklagten die Unterlassung verlangt, das streitgegenständliche Video weiter zu nutzen. Zusätzlich hat sie ein Schmerzensgeld i.H.v. 6.000,00 Euro gefordert.

Die Beklagte nahm daraufhin das Video noch vor Durchführung der Güteverhandlung aus dem Netz.

Die Klägerin stützt ihren Schmerzensgeldanspruch auf Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Es liege ein Verstoß gegen die DSGVO vor, da die Klägerin entgegen Art. 6 Abs. 1 a) DSGVO i.V.m. § 26 Abs. 2 Satz 3 BDSG eine schriftliche Einwilligung hätte abgeben lassen müssen und zuvor in Textform über den Zweck der Datenverarbeitung und ihr Widerrufsrecht hätte aufgeklärt werden müssen. Die Klägerin sei auch nicht derartig untergeordnet auf den Bildern zu sehen, dass nach § 23 KUG eine schriftliche Einwilligung nicht erforderlich sei.

Der immaterielle Schaden liege schon in der Verletzung des Rechts am eigenen Bild. Darüber hinaus diskriminiere das Video die Klägerin. Das Bild der Klägerin werde unter Verstoß gegen § 1 AGG verwendet, um die scheinbare altersmäßige Diversität des „Teams“ zu betonen: Währens in den ersten sechs Sekunden des Clips eine ältere Pflegehilfe, im Anschluss die Inhaberin der Beklagten, mittleren Alters dargestellt wird, ist die Klägerin signifikant jünger. Die Jugend der Klägerin, die durch die „Du-Form“ des Audiooverlays noch unterstrichen werde, sei also die zentrale Aussage des Bildes, sodass auch ein Verstoß gegen § 1 AGG vorliege.

Da es sich um Bewegtbilder handele, sei der Verstoß als besonders schwerwiegend einzustufen, weshalb ein Schmerzensgeld von 6.000 Euro angemessen sei.

Die Beklagte meint, es fehle für einen Schmerzensgeldanspruch an einer schwerwiegenden Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Die Klägerin habe freiwillig an dem Werbevideo mitgewirkt.

II.

Der zulässige Antrag ist teilweise begründet.

Hinsichtlich der Anträge zu 1)-2) bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung gem. § 114 ZPO hinreichend Aussicht auf Erfolg und erscheint nicht mutwillig. Die Voraussetzungen der Beiordnung eines Rechtsanwaltes gem. § 121 Abs. 2 ZPO liegen vor.

Hinsichtlich des Antrags zu 3) bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung gem. § 114 ZPO hinreichend Aussicht auf Erfolg nur für einen Schadensersatzanspruch i.H.v. 2.000,00 Euro. Auch auf Nachfrage der Vorsitzenden in der Kammerverhandlung, die versehentlich nicht protokolliert worden ist, ist der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht auf diese Summe begrenzt worden.

1. Nach § 114 Satz 1 ZPO erhält ein Prozessbeteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussichten liegen nur dann vor, wenn der Rechtsstandpunkt eines Antragsstellers aufgrund seiner Sachdarstellung sowie der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest vertretbar gehalten werden kann (vgl. Zöller/Schultzky, ZPO, 34. Auflage, § 114, Rn. 22 m.w.N.) Aufgrund summarischer Prüfung muss zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der Antragssteller mit seinem Begehren durchdringen wird. Das setzt „hinreichende“ Erfolgsaussichten für den beabsichtigten Rechtsstreit voraus. „Gewiss“ muss dieser Ausgang allerdings nicht sein (Zöller a.a.O Rn. 23). Sind die Erfolgsaussichten indes allenfalls entfernt vorhanden und erscheint ein Obsiegen zwar nicht schlechterdings unmöglich, weitgehend aber doch unwahrscheinlich, ist den Anforderungen des § 114 ZPO noch nicht genügt (vgl. LAG Schleswig-Holstein v. 21.3.2017 – 6 Ta 37/17 m.w.N).

2. Unter Anwendung dieser Grundsätze ist das Bestehen des auf Art. 82 Abs. 1 DSGVO gestützten Anspruchs auf Ersatz des erlittenen immateriellen Schadens dem Grunde nach hinreichend wahrscheinlich i.S.d. § 114 Abs. 1 ZPO.

Gem. Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter. Die Klägerin hat mit hinreichender Wahrscheinlichekit dargelegt, dass die Beklagte als Verantwortliche i.S.d. Art. 82 Abs. 1 DSGVO i.V.m. Art. 4 Nr. 7 DSGVO personenbezogene Daten, nämlich das Video, auf dem die Klägerin zu identifizieren ist, verarbeitet hat. Es ist weiter davon auszugehen, dass diese Verarbeitung nicht DSGVO-konform erfolgte, da weder eine rechtswirksame Einwilligung der Klägerin i.S.d. Art. 6 Abs. 1 lit. a) DSGVO/26 BDSG noch ein sonstiger Erlaubnistatbestand vorlag.

3. Hinsichtlich der Höhe der begehrten Entschädigung fehlen allerdings hinreichende Erfolgsaussichten für die beabsichtigte Rechtsverfolgung, soweit der begehrte Zahlbetrag 2.000,00 Euro übersteigt.

a) Eine summarische Prüfung anhand des Maßstabs des § 114 Abs. 1 ZPO, ob ein bestimmtes Schmerzensgeld angemessen erscheint, kann sich im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens in der Regel nur darauf beschränken, ob die durch den Antragssteller begehrte Kompensation sich, ausgehend von den konkreten Umständen des Einzelfalls, der Höhe nach innerhalb eines vertretbaren Rahmens bewegt. Die abschließende Prüfung, in welcher Höhe innerhalb dieses Rahmens ein Schmerzensgeld im konkreten Fall angemessen ist oder nicht, bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten (vgl OLG Karlsruhe, 16.02.2011 – 4 W 108/10 – NJW 2011, 2143, 2144 ff. m.w.N.)

b) Ausgehend von den konkreten Umständen des Einzelfalls liegt vorliegend die Obergrenze für eine noch vertretbare Höhe des begehrten Schmerzensgelds bei 2.000,00 Euro.

Die Höhe einer Entschädigung für die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts richtet sich nach der Intensität, die von der Art, Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, Anlass und Beweggrund des Handelns sowie dem Grad seines Verschuldens und der Qualität des geschützten Bereichs. Die Höhe der im jeweiligen Einzelfall als immaterielle Entschädigung zuerkannten Beträge variieren entsprechend (vgl. dazu die exemplarische Übersicht Fuhlrott/Oltmanns, ArbRAktuell 2020, 565 f. m.w.N).

Für eine Begrenzung der Obergrenze von 2.000,00 Euro sprechen die Umstände dieses Einzelfalls. Die mit der Veröffentlichung des Videos für die Klägerin eingehende Beeinträchtigung ihres Rechts am eigenen Bild ist nicht derart schwerwiegend, dass auch unter Berücksichtigung des Ermessensspielraums des Gerichts im Hauptsacheverfahren eine höhrer Entschädigung in Betracht käme.

Dabei ist zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen, dass die Veröffentlichung von Bewegtbildern ggf. schwerer wiegt als die eines einzelnen Photos. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte das Video kommerziell genutzt hat.

Der Inhalt des Videos berührt allerdings weder die Intimsphäre der Klägerin noch geschah die Aufnahme heimlich. Es ist zwar nicht auszuschließen, dass die Klägerin auch aufgrund ihres Alters im Verhältnis zu den anderen dargestellten Personen ausgewählt wurde. Da das Video aber nicht im Kern darauf abzielt die Altersunterschiede darzustellen, sondern für die die Beklagte als sympathische Arbeitgeberin zu werben, stellt eine etwaige Diskriminierung lediglich eine Begleiterscheinung am Rande dar und kann nicht als entscheidendes Argument für einen besonders hohen Entschädigungsrahmen herangezogen werden.

Schließlich ist anzuerkennen, dass das Video der Klägerin nach der Aufforderung, die Nutzung des Videos zu unterlassen, unmittelbar aus dem Netz genommen wurde. Die Klägerin hatte außergerichtlich die Unterlassung zuvor nicht verlangt, so dass der Beklagten zugutezuhalten ist, dass sie jedenfalls ab dem Zeitpunkt, ab dem sie positiv wusste, dass die Klägerin mit der Veröffentlichung des Videos nicht einverstanden war, alles getan hat, um den Schaden zu minimieren.

Zuletzt ist zu würdigen, dass auch Ansprüche auf Schadensersatz für immaterielle Schäden, die auf einer Verletzung von Normen der DSGVO beruhen, sich summenmäßig nicht völlig außerhalb dessen bewegen dürfen, was üblicherweise in der Rechtsprechung für die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ausgeurteilt wird. Dabei ist zu betonen, dass ein Rahmen bis 2.000,00 Euro, d.h. von ca. einem Bruttomonatsgehalt, keineswegs eine lediglich symbolhafte Entschädigung darstellt. Gerade in Anbetracht des sehr kurzen Arbeitsverhältnisses ist eine Entschädigung, die diesen Rahmen ausschöpft, für die Beklagte wirtschaftlich deutlich spürbar und trägt damit zur effektiven Wirksamkeit der DSGVO bzw. des BDSG bei.