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Verstoß: Unerlaubte Videoüberwachung

  • Beschreibung
    Die Parteien sind Nachbarn. Die Beklagten hatten einige Videoüberwachungskameras im gemeinsam genutzten Haus installiert, wogegen sich die Klägerin wehrte. In der Berufungsinstanz bekam sie Recht, jedoch mit geringerem Schmerzensgeld als beantragt.
  • Aktenzeichen
    OLG Schleswig, Urteil vom 13.07.2023 - 17 U 9/23
  • Kategorie(n)
    Videoüberwachung
  • Betrag
    1200 €

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 22.12.2022, Az. 10 O 239/21, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 1.200,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der europäischen Zentralbank seit dem 24. Februar 2022 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 83 % und die Beklagten zu 17 %.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i. H. v. 110% des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit i. H. v. 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

 

Gründe:

I.

Die Parteien haben erstinstanzlich um die Beseitigung von Videoüberwachungskameras, das Unterlassen des Betreibens dieser Kameras und um Schadensersatz der Klägerin nach Art. 82 DSGVO gestritten.

Nach der Beseitigung bzw. Veränderung des Blickwinkels der streitgegenständlichen Kameras durch die Beklagten im Verlaufe des Rechtsstreits haben die Parteien den Beseitigungsanspruch bereits erstinstanzlich übereinstimmend für erledigt erklärt. Zwischenzeitlich liegt auch hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs eine übereinstimmende Erledigungserklärung der Parteien vor. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist daher nur noch der Schadensersatzanspruch der Klägerin und die nach teilweiser Erledigung des Rechtsstreits veranlasste Kostenentscheidung nach § 91a ZPO.

Die Parteien bewohnten unter der Anschrift (…) Eigentumswohnungen, die Klägerin im 1. Obergeschoss des Zwei-Parteien-Hauses eine im Eigentum ihres Ehemannes stehende Wohnung und die Beklagten eine in deren Eigentum stehende Wohnung im Erdgeschoss. Das nachbarschaftliche Verhältnis war (aus nicht näher mitgeteilten Gründen) gestört und hatte weitere gerichtliche Auseinandersetzungen zur Folge. So hatte das Amtsgericht Rendsburg mit Beschluss vom (…) eine Gewaltschutzanordnung gegen die Klägerin erlassen. Diese soll am Abend des 28. April 2020 im Rahmen einer Auseinandersetzung mit dem hiesigen Beklagten zu 1. aufgrund des „auf Kipp“ stehenden Fensters im Treppenhaus diesen im Treppenhaus von hinten die Treppe herunter geschubst haben, wodurch er sich Prellungen und Hautabschürfungen zugezogen haben soll (Anlage B2, Bl. 112 f d. A.). Die Beklagten haben ihre Wohnung zwischenzeitlich veräußert und sind auch bereits ausgezogen.

Diesem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Beklagte zu 1. hatte an dem Gebäude (…)  zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt - nach dem Vortrag der Klägerin schon im Sommer 2020 - insgesamt drei Videoüberwachungskameras installiert. Eine Kamera an der nördlichen Hausecke war überwiegend in Richtung des Badezimmerfensters der Beklagten ausgerichtet, erfasste aber zunächst auch einen Teil der Hauseingangstür mit dem dortigen Treppenpodest. Der diesbezügliche Bildausschnitt erfasste in etwa die untere Körperhälfte. Bevor er die Kamera bei Auszug der Beklagten Ende 2022 ganz beseitigte, änderte der Beklagte zu 1. den Blickwinkel so, dass der Hauseingangsbereich gar nicht mehr erfasst wurde, sondern nur noch das Badezimmerfenster. Eine zweite Kamera befand sich an der westlichen Ecke des Grundstückes und erfasste den Gartenbereich, wobei der von der Klägerin genutzte Garten hinter dem Garten der Beklagten liegt. Die dritte Kamera befand sich am östlichen Ende der Terrassenüberdachung und erfasste den auf dem Grundstück befindlichen Zaun, wobei zwischen den Parteien streitig war, wem das Nutzungsrecht an diesem ca. 1 m breiten Streifen zustand. In diesem Bereich befand sich u. a. der einzige Wasserzugang für den Garten. Wegen der konkreten Einzelheiten wird auf die Anlage K1 (Bl. 8 d. A.) verwiesen. Diese rückwärtigen Kameras wurde im Laufe der erstinstanzlichen Aus- einandersetzung in der zweiten Jahreshälfte 2022 abgebaut, so dass die Parteien den Beseiti- gungsanspruch übereinstimmend für erledigt erklärt haben.

Bei sämtlichen Kameras handelte es sich um fest installierte Videokameras ohne Bewegungs- möglichkeit mit geringer Bildauflösung und ohne akustische Erfassung. Die von Bewegungsmeldern erfassten Veränderungen im Bild wurden dem Beklagten zu 1. über sein Mobiltelefon mitgeteilt und nach wenigen Tagen automatisch gelöscht.

Die Klägerin hat behauptet, die ursprüngliche Ausrichtung der Kamera an der nördlichen Seite habe eine Identifizierung ihrer Person ermöglicht und sei zu dem Zweck angebracht worden, die Aufzeichnungen in einem Nachbarschaftsstreitverhältnis zu verwenden. Die Kamera an der west- lichen Ecke des Grundstückes habe jedenfalls bei Tageslicht den von ihr genutzten Garten teilweise erfasst, indem der über den Zaun hinausragende Luftraum aufgenommen worden sei. Die Kamera an der östlichen Ecke der Terrassenüberdachung habe zudem auch Bereiche erfasst, welche nicht ausschließlich im Nutzungsrecht der Beklagten stünden. Mit Hilfe dieser Kameraaufzeichnungen sei deshalb eine nahezu lückenlose Überwachung ihrer selbst und ihrer Familie möglich gewesen, was seitens der Beklagten auch gewollt gewesen sei. Aufgrund dieser Rundumüberwachung habe sie sich in ihrer Privatsphäre ständig beobachtet gefühlt, sich in ihrem Wohnbereich nicht mehr sicher gefühlt und auch nicht mehr entspannen können.

 

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

  1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, es in Zukunft zu unterlassen, Videoüberwachungskameras zu installieren oder zu betreiben, die Bereiche des Grundstücks (…) erfassen oder erfassen können wie folgt:

- an der Überdachung in der westlichen Ecke des Grundstücks mit Blickrichtung in Richtung des Gartens

- am östlichen Ende der Terrassenüberdachung mit Blickrichtung entlang des auf dem Grundstück befindlichen Zaunes oder

- von der nördlichen Ecke des Hauses mit Blickrichtung in Richtung Eingangstür,

  1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 22.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der europäischen Zentralbank darauf seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

 

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

 

Hinsichtlich der nördlichen Überwachungskamera haben sie sich damit verteidigt, diese habe dem Einbruchsschutz gedient, nachdem sie zuvor Einbruchsspuren an dem erfassten Badezimmerfenster festgestellt hätten. Zudem habe das zum Betreten oder Verlassen des Hauses kurzfristige „Durchstreifen“ des Erfassungsbereiches gar nicht ausgereicht, um die Kamera auszulösen. Hinsichtlich dieser Kamera habe die Klägerin vielmehr das Auslösen dergestalt provoziert, dass sie sich bewusst in den erfassten Bereich begeben habe. Damit sei auch ihr Vortrag widerlegt, dass sie sich durch die Kameras beeinträchtigt gefühlt habe. Die Kameras hätten nicht der Überwachung oder Identifizierung der Klägerin gedient oder der Beweissicherung im Rahmen eines Nachbarschaftsstreites.  Der hiermit verbleibende Eingriff in ihre Persönlichkeitsrechte sei keineswegs schwerwiegend, sondern minimal, so dass ihr daher auch kein Schadensersatzanspruch zustehe, da sie einen solchen Eingriff hinnehmen müsse. Dies folge auch daraus, dass eine Speicherung des Bildmaterials nicht erfolge.

Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen der Einzelzeiten gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen:

Die Klägerin habe keinen Unterlassungsanspruch gemäß §§ 823, 1004 BGB in entsprechender Anwendung i. V. m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 6 Abs. 1 Satz DSGVO. Die gebotene Abwägung der Einzelfallumstände führe nicht zur Annahme eines rechtswidrigen Eingriffs in ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht. Grundsätzlich müsse bei der Videoüberwachung eines Privatgrundstücks sichergestellt sein, dass weder der angrenzende öffentliche Bereich noch benachbarte Privatgrundstücke oder der gemeinsame Zugang erfasst würden. Anderes gelte allerdings dann, wenn ein überwiegendes Interesse des Betreibers anzunehmen sei und sich deshalb die Datenverarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 DSGVO als rechtmäßig erweise. Hinsichtlich der westlich angebrachten Kamera habe die Klägerin weder dargelegt noch bewiesen, dass sie von dieser überhaupt erfasst werde. Auch hinsichtlich der östlich angebrachten Kamera habe sich nicht feststellen lassen, dass durch diese ein Bereich außerhalb des Privatgrundstücks der Beklagten erfasst würde, zumal die Rechtslage betreffend diesen einen Meter breiten Streifen im Streit stehe. Falls die Klägerin ggf. bei der Nutzung des Wasserhahns erfasst worden sei, sei hiermit nur ein sehr kurzfristiger Eingriff in ihre Individualsphäre verbunden gewesen. Soweit durch die Kameras allein das Grundstück der Beklagten erfasst werde, sei dies vorliegend von der Klägerin hinzunehmen. Es handele sich hierbei nämlich nicht etwa um einen Fall der Überwachung im Hinblick auf den zwischen ihnen bestehenden Nachbarschaftsstreit, vielmehr hätten die Kameras dem Eigentumsschutz der Beklagten gedient. Hinsichtlich der nördlich angebrachten Kamera fehle es an einer Wiederholungsgefahr. Unstreitig habe das Auslösen der Kamera vermieden werden können, indem ausschließlich der linke Bereich des Hauseingangs genutzt wurde, zudem habe die Möglichkeit des Betretens bzw. Verlassens des Hauses durch die Tür des Kellerniedergangs bestanden. Da eine akustische Erfassung nicht erfolgt sei, sei das Vorbringen der Klägerin, die Beklagten hätten hierdurch Lärmbelästigungen in einem Nachbarschaftsstreit dokumentieren wollen, fernliegend. Zudem habe der Beklagte zu 1. die Kamera hinsichtlich ihrer Blickrichtung auch ummontiert. Da die verbleibende Störerhandlung damit abgestellt worden sei, sei von weiteren Beeinträchtigungen nicht auszugehen.

Die Klägerin habe auch keinen immateriellen Schaden erlitten, aus dem sie einen Anspruch aus Art. 82 DSGVO herleiten könne. Hierfür genüge nicht allein der Datenschutzverstoß, vielmehr erfordere dieser Anspruch die Darlegung eines konkreten (auch immateriellen) Schadens. Zwar bedürfe es nicht einer schweren Verletzung des Persönlichkeitsrechts, allerdings seien reine Bagatellverstöße ohne ernsthafte Beeinträchtigung nicht anspruchsbegründend. Erforderlich sei ein spürbarer Nachteil. Soweit die Klägerin vorgetragen habe, der Beklagte zu 1. habe immer gewusst, wenn sie alleine zuhause gewesen sei und habe dadurch Anfragen an sie stellen können, sei sie in ihrer freien Persönlichkeitsentfaltung nicht gehemmt. Im Rahmen nachbarschaftlicher Verhältnisse lasse sich generell nicht ausschließen, dass benachbarte Personen Kenntnis davon erlangen, dass der jeweilige Nachbar das Haus betritt oder verlässt. Eine Rundumüberwachung habe die Klägerin nicht dargelegt. Auch Sicherheitsbedenken habe die Klägerin nicht konkretisiert, weshalb es sich insgesamt um eine bloß individuell empfundene Unannehmlichkeit der Klägerin handele. Soweit die Parteien den Rechtsstreit für erledigt erklärt haben, hat die Kammer die Kosten der Klägerin auferlegt (§§ 91 Abs. 1 Satz 1, 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO), da nach dem bisherigen Sach- und Streitstand ein Beseitigungsanspruch der Klägerin von Anfang an nicht bestanden habe. Die Klägerin habe allenfalls einen Anspruch auf Änderung der Einstellungsposition der Kameras gehabt.

Soweit keine Erledigung des Rechtsstreits eingetreten ist, verfolgt die Klägerin hier Schadenser- satzbegehren in vollem Umfang weiter:

Das Landgericht habe zwar eine Interessenabwägung vorgenommen, dieser allerdings Rechtsprechung des BGH zugrunde gelegt, die noch vor Inkrafttreten der DSGVO entwickelt worden sei. Zwischenzeitlich sei nach der Wertung des europäischen Verordnungsgebers ein strengerer Maßstab anzulegen. Durch die ununterbrochene Kameraüberwachung werde massiv in ihre Privatsphäre eingegriffen, indem sie ihr eigenes Zuhause weder unbeobachtet betreten noch sich unbeobachtet im eigenen Garten aufhalten könne. Hierdurch werde ein sogenannter Überwachungsdruck ausgelöst. Der beklagtenseits behauptete Eigentumsschutz halte einer Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht stand. Die Kameraüberwachung sei gegenüber weniger eingriffsintensiven und dennoch wirksamen Mitteln (Fenstergitter, Alarmanlage pp.) schon nicht erforderlich. Damit könne sich die Beklagtenseite nicht auf einen legitimen Zweck zur Datenverarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO stützen. Das Landgericht habe auch verkannt, dass in Art. 5 Abs. 2 DSGVO eine Darlegungs- und Beweislastumkehr normiert worden sei. Der Verantwortliche müsse demnach die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung beweisen; ihr selbst sei entsprechender Vortrag auch gar nicht möglich, da sie nicht habe wissen können, in welche Richtungen die Kameras jeweils gerichtet waren. Sie müsse sich auch nicht darauf verweisen lassen, den linken Bereich des Hauseingangs oder die Kellertür zu nutzen, denn dann läge noch immer keine Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung vor. Indem sie sich nicht entsprechend verhalten habe, habe sie jedenfalls in die Datenverarbeitung nicht etwa konkludent eingewilligt.

Hinsichtlich ihres Anspruchs gemäß Art. 82 DSGVO habe sie ihren immateriellen Schaden in Form von Stress, Sorge und Ärger hinreichend konkret dargelegt. Dies könne zwar im generellen nachbarschaftlichen Kontext zumutbar sein, nicht jedoch in Form einer unberechtigten Video- überwachung.

 

Die Klägerin hat im Berufungsrechtszug zuletzt beantragt,

das Urteil des Landgerichts Kiel vom 22.12.2022 – 10 O 239/21 – aufzuheben und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 22.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz  der europäischen Zentralbank darauf seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

 

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich des zunächst noch mit der Berufung verfolgten Unterlassungsanspruchs haben die Parteien aufgrund des Auszugs der Beklagten den Rechtsstreit auch insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Berufungsbeklagten verteidigen unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags die angefochtene Entscheidung. Die Kammer habe eine die Umstände des Einzelfalls hinreichend berücksichtigende Abwägung vorgenommen und dabei zu Recht darauf abgestellt, dass insbesondere die nördliche Kamera dem Einbruchsschutz gedient habe. Zutreffend sei auch berücksichtigt worden, dass eine Personenindividualisierung nicht möglich gewesen, nicht der gesamte Eingangsbereich betroffen gewesen und die Kamera schließlich ummontiert worden sei. Die Datenerhebung mittels der zwischenzeitlich demontierten und auch veräußerten Kameras sei damit rechtmäßig gewesen. Die Klägerin habe auch nach wie vor ihren Schaden nicht substantiiert dargelegt; ihr Vorbringen in der Berufungsbegründung („Stress, Sorge und Ärger“) genüge hierfür nicht. Zudem bleibe festzuhalten, dass die Eingriffsschwelle überaus gering gewesen sei, da eine Individualisierbarkeit von Personen nicht möglich gewesen sei und eine Datenerfassung nur für wenige Sekunden stattgefunden habe.

Der Senat hat die Klägerin persönlich angehört; diesbezüglich wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 8. Juni 2023 Bezug genommen.

 

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat dem Grunde nach Erfolg, allerdings kann sie Schadensersatz nicht in der von ihr begehrten Höhe verlangen.

Die Installation und der Betrieb der streitgegenständlichen Videokameras durch die Beklagten am seinerzeit gemeinsam bewohnten Zweifamilienhaus stellte eine Datenverarbeitung dar, die nicht rechtmäßig erfolgte (hierzu unter 1.). Dieser Verstoß gegen die DSGVO verursachte bei der Klägerin auch einen konkreten Schaden, welchen sie von den Beklagten in der ausgeurteilten Höhe ersetzt verlangen kann (hierzu unter 2.).

 

1.

Die Beklagten haben personenbezogene Daten verarbeitet (hierzu unter a.), ohne diesbezüglich ein die Rechte der Klägerin überwiegendes berechtigtes Interesse zu haben (hierzu unter b.).

 

a.

Die Aufzeichnung von Bildmaterial an einem Wohnhaus und in einem Garten, stellt eine „Verar- beitung“ „personenbezogener Daten“ im Sinne des Art. 4 Nr. 1 und Nr. 2 DSGVO dar, wenn diese nicht ausschließlich selbst bewohnt und genutzt werden und deshalb auch dritte Personen von der Aufzeichnung betroffen sind. Die Personenbezogenheit folgt vorliegend daraus, dass die den Hauseingangsbereich und den Garten nutzenden Personen teilweise ganz, jedenfalls aber von den Füßen etwa bis zur Hüfte abgebildet werden konnten und zudem auch unter Berücksichtigung der Wohnanschrift eine hinreichend direkte oder indirekte Identifizierbarkeit möglich war.

Die Klägerin hat auch hinreichend konkret dargelegt, dass die Montageposition und der potenzielle Erfassungsbereich der Kameras geeignet waren, sie sowie Familienmitglieder und Besucher zu erfassen und die Aufzeichnung nicht etwa ausschließlich Aufnahmen der Beklagten oder ihres Eigentums ermöglichte. Dies hat sie bei ihrer Anhörung von dem Senat nachvollziehbar geschildert. Es kann nach Auffassung des Senats dahinstehen ob - worauf sich die Klägerin beruft - Art. 5 Abs. 2 DSGVO eine Beweislastumkehr zu ihren Gunsten darstellt (ablehnend mit ausführlicher Begründung: OLG Stuttgart, Urteil vom 31. März 2021 – 9 U 34/21 –, juris), denn jedenfalls sind die Beklagten diesem Vortrag nicht plausibel entgegengetreten. Zum einen folgt schon aus dem Umstand, dass jedenfalls die Kamera an der Vorderseite des Hauses ummontiert wurde und zwar dergestalt, dass sie sodann nicht mehr den Hauseingangsbereich, sondern nur noch das Badezimmerfenster erfasste, dass es zuvor eben sehr wohl zu einer Aufzeichnung der Klägerin gekommen war. Zudem widerspricht der Vortrag der Beklagten auch ihrer Behauptung, die Kameras hätten einem Einbruchsschutz dienen sollen. Dieses Ziel wäre mit einer Kameraeinstellung, die Dritte nicht erfasst, nicht ernshaft erreichbar gewesen, was insbesondere auch für den Gartenbereich gilt. Da die Klägerin mehr zu dem generierten Bildmaterial auch nicht hat vortragen können, hätte die Beklagten – wenn man insoweit auch nocht von einer sekundären Darlegungslast ausgehen will – jedenfalls die Pflicht qualifizierten Bestreitens zu dem konkreten Erfassungsbereich der Kameras getroffen, da allein sie über konkrete Informationen über die Einstellungen der Kameras, den erfassten Bildausschnitt und das Bildmaterial verfügten.

Letztlich folgt zur Überzeugung des Senats auch aus den – wenn auch qualitativ nicht besonders guten – durch die Parteien vorgelegten Fotos (Anlage K1 – tatsächlich beschriftet als B1 – Bl. 8 d.A.; Anlage B1, Bl. 111 d.A.), dass schon aufgrund der beengten räumlichen Verhältnisse und des gemeinschaftlichen Zuschnitts des Grundstücks eine optische Trennung der Aufzeichnungne bzw. Beschränkung auf das Alleineigentum der Beklagten gar nicht möglich war.

 

b.

Die Aufzeichnungen erfüllten – anders als es das Landgericht gesehen hat – auch nicht die Anforderung an eine rechtmäßige Datenverarbeitung im Sinne von Art. 6 DSGVO. Die Beklagten könenn sich insbesondere nicht mit Er-folg auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO berufen. Danach ist eine Datenverarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind der Klägerin handelt.

Im Rahmen der hierbei gebotenen Interessenabwägung, ist schon ein ernsthaft berechtiges Interesse der Beklagten nicht erkennbar, sondern mutet im Ergebnis konstruiert an. Soweit ein solches im Sinne eines Einbruchsschutzes denkbar wäre, überwiegen im Streitfall jedoch die Rechte der Klägerin, zu denen insbesondere auch das allge-meine Persönlichkeitsrecht gehört, welches grundgesetzlich verankert ist und deshalb hohen Schutz genießt.

Der Senat hat zu den Anforderungen an die Interessenabwägung im Rahmen von Art. 6 Abs. 1 lit.f DSGVO mit Urteil vom 4. Juni 2021 (veröffentlicht u.a. bei juris, dort Rn.51 mit weiteren Nach- weisen) ausgeführt:

„Da  eine  jede  Verarbeitung personenbezogener Daten  zunächst unzulässig ist,  hat die Beklagte darzulegen und  zu beweisen, dass  die vom  Kläger  beanstandete  Verarbeitung  seiner  personenbezogenen Daten  zur  Wahrung  der  berechtigten Interessen  der  Beklagten  erforderlich ist  und  damit  rechtmäßig  sein  könnte.  Das berechtigte Interesse im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit f) DSGVO ist dabei grundsätzlich weit zu fassen.  Als Interesse dürfte zunächst ein jedes rechtliches, tatsächliches, wirtschaftliches oder ideelles Interesse des Verantwortlichen ausreichen.  Es ist in der Literatur allerdings anerkannt, dass es sich um ein berechtigtes Interesse handeln muss, so dass solche Interessen an einer Verarbeitung ausscheiden, welche der Rechtsordnung im weitesten Sinne zuwiderlaufen. Zudem ist die Auslegung des Begriffes kontextabhängig, [...].“

Die Abwägung muss - auch dies hat der Senat bereits entschieden - möglichst konkret die berechtigten Belange des Verantwortlichen einerseits und des Betroffenen andererseits berücksichtigen. Bleibt der Abwägungsvorgang eher abstrakt, wenn z.B. Daten ohne konkreten Anlass gewissermaßen „auf Vorrat“ erhoben werden, so erhöhen sich die Anforderungen an die berechtigten Interessen an der Verarbeitung (Senatsurteil vom 3. Juni 2022 - 17 U 5/22 -, juris).

Gemessen an diesem Maßstab hält der Senat im Ausgangspunkt im Sinne der Beklagten als Wohnungsinhaber ein berechtigtes Interesse für denkbar, sich wirksamen Einbruchsschutzes zu bedienen und es erscheint auch nicht generell ausgeschlossen, dass dies auch in Form von Überwachungskameras geschehen kann. Im konkreten Streitfall vermag der Senat allerdings unter Berücksichtigung der Funktionsweise der Kameras, deren Bildauflösung zudem unstreitig gering war, einen konkreten Einbruchsschutz nicht zu erkennen. Ob – wie die Klägerin es darstellt – die Beklagten mit den Kameras eigentlich ganz andere Zwecke verfolgten, ist unerheblich, denn sie dringen schon mit ihrem eigenen Verteidigungsvorbringen nicht durch. Da mit der Videoüberwachung kein stiller Alarm ausgelöst wurde, sondern die Beklagten zunächst Bildmaterial übermittelt bekamen, dieses dann einer Prüfung unterziehen mussten und sodann eine Entscheidung zu treffen hatten, ob ggf. Veranlassung besteht, die Polizei zu alarmieren, begegnet die Annahme wirksamen Einbruchschutzes greifbaren Bedenken. Dies würde doch zweierlei voraussetzen: nämlich erstens, dass die Beklagten ständig den Eingang von Bildmaterial prüfen können, mithin ständig erreichbar sind und zweitens, dass die Polizei aufgrund der Mitteilung, am Haus halte sich eine fremde Person auf, die aber – so sehen es ja die Beklagten – anhand der Bilder gar nicht idenfiziert werden kann, Veranlassung sehen würde, einen Einsatz zu fahren. Beides ist überaus fraglich und insgesamt als Schutzkonzept ersichtlich risikobehaftet. Dies insbesondere, weil Wohnungseinbrüche, insbesondere sogenannte Tageseinbrüche, - wenn überhaupt – nur wenige Minuten dauern. Wirksam ist ein Einbruchschutz aber nur dann, wenn er ein Ein-dringen Unbefugter möglichst zuverlässig verhindert und ggf. unverzügliche Hilfe garantiert.

Hierzu gibt es – darauf weist die Klägerin zu Recht hin – andere wirksamere und leicht zu installierende Hilfs- und Schutzeinrichtungen, wie abschließbare Fenster mit Aufhebelschutz, Fenstergitter und Alarmanlagen, die jeweils ohne großen Aufwand installliert werden können. Schon aus diesem Grund – selbst wenn man also ein berechtigtes Interesse der Beklagten annehmen wollte – folgt aufgrund dieser Möglichkeiten, dass dann von einer Rechtsbeeinträchtigung durch eine Datenverarbeitung abgesehen werden muss, mithin die Interessenabwägung zugunsten der Betroffenen ausfällt.

Mithin war die Datenverarbeitung, anders als es das Landgericht gewertet hat, nicht rechtmäßig.

 

2.

Der Klägerin ist durch die unrechtmäßige Datenverarbeitung ein Schaden entstanden (hierzu unter a.); das Maß ihrer Beeinträchtigung begründet allerdings nur einen der Höhe nach überschaubaren Anspruch (hierzu unter b.).

 

a.

Die aktuell in Rechtsprechung und Literatur vermehrt und teilweise auch kontrovers diskutierte Frage, unter welchen Voraussetzungen und nach welchem Prüfungsmaßstab ein Schadenser- satzanspruch aus Art. 82 DSGVO begründet ist, ist durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshof (EuGH) vom 4. Mai 2023 in der Rechtssache C-300/21 mittlerweile geklärt. Der EuGH hat auf Vorlage des Obersten Gerichtshofs Österreich unter Bezugnahme auf die Erwägungsgründe 75, 85 und vornehmlich 146 der DSGVO die durch das Gericht gestellten Fragen wie folgt beantwortet:

„1.  Art.  82 Abs.  1 der  Verordnung  (EU)  2016/679  des  Europäischen  Parlaments und  des  Rates  vom  27.  April 2016 zum  Schutz  natürlicher  Personen  bei der Ver - arbeitung  personenbezogener Daten,  zum  freien  Datenverkehr  und  zur  Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG  (Datenschutz-Grundverordnung)

ist dahin auszulegen,

dass   der bloße Verstoß  gegen  die  Bestimmungen  dieser  Verordnung  nicht  aus - reicht, um  einen Schadenersatzanspruch zu begründen.

  1. Art. 82 Abs. 1 der Verordnung 2016/679

ist dahin auszulegen,

dass er einer nationalen Regelung oder Praxis entgegensteht, die den Ersatz eines immateriellen Schadens  im  Sinne dieser Bestimmung  davon abhängig macht,  dass der der betroffenen Person  entstandene Schaden einen bestimmten  Grad  an  Erheblichkeit erreicht hat.

  1. Art. 82 der Verordnung 2016/679 ist dahin auszulegen,

dass  die nationalen Gerichte  bei der  Festsetzung  der  Höhe des  Schadenersatzes, der aufgrund des in diesem  Artikel verankerten  Schadenersatzanspruchs geschuldet wird,  die  innerstaatlichen  Vorschriften  der   einzelnen  Mitgliedstaaten  über  den Umfang der finanziellen Entschädigung  anzuwenden haben, sofern die unionsrechtlichen Grundsätze der Äquivalenz und  der Effektivität beachtet werden.“

Damit ist die auch von nationalen Gerichten überwiegend vertretene Auffassung, dass ein bloßer Verstoß gegen die Bestimmungen der DSGVO keinen Schadensersatzanspruch begründet, sondern es darüber hinaus eines konkreten Schadens bedarf, der in einem Kausalzusammenhang zu einem solchen Verstoß steht und hinsichtlich dessen es einer Erheblichkeitsschwelle nicht bedarf, weil der DSGVO ein weites Verständnis des Begriffs „Schaden“ zugrunde liegt, bestätigt worden (vgl. hierzu: OLG Frankfurt, Urteil vom 2. März 2022 - 13 U 206/20 -, OLG Frankfurt, Urteil vom 14. April 2022 - 3 U 21/20 -, OLG Köln, Urteil vom 14. Juli 2022 - I-15 U 137/21 -, OLG Hamm, Urteil vom 20. Januar 2023 - I-11 U 88/22 -, juris).

Dieser Auffassung schließt sich auch der erkennende Senat an.

Nach diesem Verständnis ist der Senat aufgrund der persönlichen Anhörung der Klägerin davon überzeugt, dass sie mit ihrer Klage nicht etwa nur eine Verletzung der DSGVO als solche geltend macht, sondern es bei ihr zu Beeinträchtigungen gekommen ist, welche sich als immaterieller Schaden im Sinne von Art. 82 DSGVO darstellen. Hierfür genügt es nämlich schon, wenn durch den unrechtmäßigen Datenverarbeitungsvorgang en „ungutes Gefühl“ (OLG Hamm a.a.O) bzw. „Ängste, Stress sowie Komfort- und Zeiteinbußen“ (OLG Frankfurt a.a.O) verursacht werden. In diesem Sinne hat die Klägerin nachvollziehbar geschildert, dass sie sich beim Verlassen und Betreten des Hauses sowie bei der Nutzung des Gartens und ihres über der Terrasse der Beklagten liegenden Balkons durch das Gefühl des Beobachtetseins unwohl gefühlt habe. Insbesondere wenn sie (mit dem jüngeren Sohn) allein gewesen sei (…) habe sie es teilweise vermieden, das Haus zu verlassen bzw. Garten und Balkon zu nutzen. Sie sei davon ausgegangen, die Beklagten würden diese Gelegenheit nutzen, um Beweismittel gegen sie zu sammeln. Hierin liegt eine hinreichend konkrete Persönlichkeitsverletzung.

Soweit die Kammer insoweit gemeint hat, es sei der Klägerin möglich gewesen, das Haus anderweitig unbeobachtet zu betreten und zu verlassen, folgt der Senat dieser Ansicht nicht. Es ist zum einen generell schon nicht verständlich, warum die zutrittsberechtigte Wohnungsinhaberin eines gemeinsam bewohnten Hauses „Schleichwege“ benutzen soll, um unbeobachtet in ihre Wohnung zu gelangen oder diese unbeobachtete zu verlassen. Zum anderen liefe eine solche Sichtweise auch ganz konkret dem weiten Schadensverständnis des Art. 82 DSGVO zuwider, der nach Auffassung des Senats nämlich auch datenverarbeitungsbedingte Verhaltensänderungen – z.B. in Form von Vermeidestrategien – erfasst. Sähe man es anders, würde dies darauf hinauslaufen, dass der von einer unrechtmäßigen Datenverarbeitung Betroffene deren Folgen aktiv vermeiden müsste, mithin letztlich das Recht dem Unrecht zu weichen hätte. Dies allerdings widerspricht schon im Ansatz zentralen Grundgedanken der Rechtsordnung.

 

b.

Allerdings vermag der Senat der Klägerin hinsichtlich der Höhe ihres Schadensersatzbegehrens nicht zu folgen und hält dieses für deutlich übersetzt. Bei der konkreten Bemessung des Schadensersatzanspruchs nach § 287 ZPO steht dem Tatgericht ein weiter Ermessensspielraum zu (vgl. BAG, Urteil vom 5. Mai 2022 - 2 AZR 363/21 -, bei juris).

Insoweit hat der Senat aufgrund der eher knappen Ausführungen der Klägerin nicht den Eindruck gewonnen, dass ihre Beeinträchtigungen besonders schwer wogen, sondern dass es sich letztlich eher um ein allgemeines Gefühl des Unwohlseins in der Hausgemeinschaft mit den Beklagten gehandelt hat.

In diesem Zusammenhang war zunächst einmal nicht verständlich, warum die Klägerin befürchtet haben will, die Beklagten hätten die Kameras genutzt, um Beweismittel für ihre nachbarschaftliche Auseinandersetzung zu generieren, wenn sie alleine zuhause war. Es erschließt sich nämlich nicht, welche Beweise die Beklagten so hätten gewinnen können, die sich nicht auch anders hätten gewinnen können, dies zumal sich die Kameras ja außen befanden und nicht im Haus, wo die Streitigkeiten stattfanden.

Hinzu kommt, dass die Beklagte das in der Höhe ihres Klagebegehrens zum Ausdruck kommende Maß ihrer Beeinträchtigung in gewissem Umfang selbst widerlegt hat, indem sie erstmals nach mehr als eineinhalb Jahren Rechtsschutz  suchte und erst - ohne  Einleitung vorheriger Schritte - am 31. Dezember 2021 Klage erhob, obwohl sie die Kameras schon im Sommer 2020 wahrgenommen haben will. Zwar hat sie dies vor dem Senat damit erläutert, sie habe als „rechtliche Laiin“ nicht gewusst, was sie tun könne und dann auch durch ihre vorherigen Bevollmächtigten   fehlerhaften   Rechtsrat   erhalten.   Dies überzeugt aber nicht, denn schon eine Nachfrage/Anzeige bei der Polizei - hierzu dürfte die Klägerin ohne weiteres in der Lage gewesen sein - oder schlicht eine schriftliche „Abmahnung“ gegenüber den Beklagten hätte ggf. (Ab)Hilfe gebracht. Stattdessen hat sie die Beeinträchtigung zunächst klaglos hingenommen, weshalb der Zeitumfang - will man nicht zu einem „dulde und liquidiere“ gelangen - bei der Bemessung ihres Anspruchs nicht nennenswert ins Gewicht fällt.

Zu beachten war weiterhin, dass - anders als bei unrechtmäßigen Datenverarbeitungen z.B. im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer - die Daten nicht genutzt und gespeichert wur- den und auch die Gefahr der Weitergabe an Dritte nicht bestand. Die Daten waren allein und auch nur kurzfristig den Beklagten zugänglich, weshalb die Eingriffsqualität und -intensität eher niederschwellig war.

Weiter hat der Senat auch berücksichtigt, dass - so sich die Klägerin in Haus und Garten nicht mehr wohlgefühlt hat - dies auch maßgeblich auf das grundsätzlich schon schlechte nachbarschaftliche Verhältnis zurückzuführen war, an dem, was der Erlass der Gewaltschutzanordnung im Jahr 2019 zeigt, auch die Klägerin nicht unbeteiligt war. Auf die (zusätzliche) Beeinträchtigung durch die Kameras entfällt daher nicht der ganze von ihr empfundene immaterielle Schaden.

Schließlich war bei der Bemessung des Schadensersatzes auch zu berücksichtigen, dass dieser nach nationalem Recht ausschließlich die Funktion einer Genugtuung des Geschädigten, nicht aber einer Bestrafung des Schädigers zukommt, das deutsche Recht also keinen „Strafschadensersatz“  kennt (OLG a.a.O.). Auch der EuGH hat in seiner Entscheidung vom 4. Mai 2023 hierzu ausgeführt:

„Wie der Generalanwalt in den Nr.  39, 49 und 52 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, ist in Anbetracht der Ausgleichsfunktion des in Art.  82 DSGVO   vorgesehenen Schadensersatzanspruchs   eine auf diese Bestimmung gestützte finanzielle Entschädigung als „vollständig und wirksam“ anzusehen, wenn sie es ermöglicht, den aufgrund des Verstoßes gegen diese Verordnung konkret erlittenen Schaden in vollem Umfang auszugleichen, ohne dass ein solcher vollumfänglicher Ausgleich die Verhängung von Strafschadenersatz erfordert.“

Maßgeblich zu berücksichtigen war allerdings als spürbare Beeinträchtigung, dass die Klägerin sich und ihre Familie in ihrer Privatsphäre, ihrem Zuhause, beobachtet fühlte, was - schon, weil es einen Dauerzustand bedeutete - nachvollziehbar unangenehm war sowie Stress als auch Angst auslösen kann. Soweit die Kammer gemeint hat, auch ohne Kameras sei eine (nicht gewollte) Beobachtung durch Nachbarn möglich und hinnehmbar, trifft dies zwar zu. Allerdings dürfte es wenig wahrscheinlich sein, dass ein Nachbar Zeit und Anlass hat, ständig Beobachtungen aus dem Fenster zu machen oder andauernd nach Geräuschen im Treppenhaus zu horchen, weshalb der Umstand, dass man durch Überwachungskameras an der Haustür und im Garten ständig „im Blick“ sein kann, eine deutlich andere Qualität und auch ein erheblich anderes Gewicht aufweist.

Insgesamt erachtet der Senat für die bis zur endgültigen Demontage aller Kameras etwa zwei Jahre andauernde Beeinträchtigung der Klägerin einen Schadensersatz in Höhe von 1.200,00 € für angemessen, was in etwa einem Betrag von 50,00 € pro Monat entspricht.

 

3.

Soweit die Parteien den Rechtsstreit  wegen des Beseitigungs- und  Unterlassungsanspruchs übereinstimmend für erledigt erklärt haben, waren die Kosten nach einem anteiligen Streitwert von 3.000,00 € gemäß § 91a Abs. 1 ZPO den Beklagten umfänglich aufzuerlegen, da diese Ansprüche aufgrund der nicht rechtmäßigen Datenverarbeitung vor Eintritt der Erledigung begründet waren.

Die Kostenentscheidung im Übrigen beruht auf § 92 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagtenseite vom 29. Juni 2023 lag dem Senat vor.

Da die diesem Rechtsstreit zugrundeliegenden Rechtsfragen durch die Entscheidung des EuGH geklärt sind und er im Übrigen durch die besonderen Umstände des Einzelfalls geprägt ist, liegen Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO nicht vor.