Verstoß: Unerlaubte Veröffentlichung von Daten eines Mieters
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BeschreibungDie Beklagte hat die Wohnungsbilder der Kläger veröffentlicht, ohne dass diese zuvor nachweislich eingewilligt hätten, wodurch den Klägern ein Schaden entstanden ist, der die Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von jeweils 100 Euro rechtfertigt.
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AktenzeichenLG Stuttgart, Urteil vom 24.03.2025, Az. 4 S 159/24
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Kategorie(n)Wohnung
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Betrag200 €
Tenor:
I. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart-Bad Cannstatt vom 26.07.2024, Az. 12 C 573/24, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger jeweils Schadensersatz in Höhe von 100 Euro, damit insgesamt 200 Euro, zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger außergerichtliche Kosten in Höhe von 117,10 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus ab 20.07.2023 zu bezahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger als Gesamtschuldner.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Von der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. §§ 313 a Abs. 1 Satz 1, 544 Abs. 2 ZPO abgesehen.
II.
Die Berufung der Kläger ist zulässig, aber zum überwiegenden Teil nicht begründet. Die Beklagte hat die Wohnungsbilder der Kläger veröffentlicht, ohne dass diese zuvor nachweislich eingewilligt hätten, wodurch den Klägern ein Schaden entstanden ist, der die Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von jeweils 100 Euro rechtfertigt. Einem darüber hinausgehenden Zahlungsbegehren ist dagegen der Erfolg zu versagen.
1. Die Kläger haben nach Art. 82 i.V.m. Art. 6 DSGVO einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von jeweils 100 Euro.
a. Ein Verstoß im Sinne des Art. 82 DSGVO ist mit der streitgegenständlichen Veröffentlichung der Lichtbilder gegeben. Die Beklagte hat gegen Art. 6 Abs. 1 DSGVO verstoßen, da die Kläger nicht wirksam in die Verarbeitung von personenbezogenen Daten, namentlich in die Veröffentlichung der Lichtbildaufnahmen vom Inneren der von den Klägern bewohnten Immobilie im Internet eingewilligt haben. Nach durchgeführter Beweisaufnahme konnte zur Überzeugung des Amtsgerichts nicht festgestellt werden, dass die Kläger in die Veröffentlichung der Wohnungsbilder eingewilligt haben.
Grundsätzlich sind gemäß § 529 Abs. 1 S.1 ZPO für die rechtliche Überprüfung durch das Berufungsgericht die Tatsachen zugrunde zu legen, die das Erstgericht festgestellt hat. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Tatsachenfeststellung selbst unvollständig oder aus anderen Gründen rechtsfehlerhaft ist oder ausnahmsweise (§§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 ZPO) die Berücksichtigung neuer Tatsachen zulässig ist. Vorliegend wurde die Beweiswürdigung des Amtsgerichts in der Berufungsinstanz nicht angegriffen. Unabhängig davon ist die vom Amtsgericht vorgenommene Würdigung der von ihm festgestellten Tatsachen ohne Rechtsfehler.
b. Der Begriff des „immateriellen Schadens“ ist in Ermangelung eines Verweises in Art. 82 Abs. 1 DSGVO auf das innerstaatliche Recht der Mitgliedstaaten im Sinne dieser Bestimmung autonom unionsrechtlich zu definieren (st. Rspr., EuGH, Urteile vom 20. Juni 2024 – C-590/22, DB 2024, 1676 Rn. 31 – PS GbR; vom 25. Januar 2024 – C-687/21, CR 2024, 160 Rn. 64 – MediaMarktSaturn; vom 4. Mai 2023 – C-300/21, VersR 2023, 920 Rn. 30 und 44 – Österreichische Post). Dabei soll nach ErwG 146 Satz 3 DSGVO der Begriff des Schadens weit ausgelegt werden, in einer Art und Weise, die den Zielen dieser Verordnung in vollem Umfang entspricht. Der bloße Verstoß gegen die Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung reicht nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs jedoch nicht aus, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen, vielmehr ist darüber hinaus – im Sinne einer eigenständigen Anspruchsvoraussetzung – der Eintritt eines Schadens (durch diesen Verstoß) erforderlich (st. Rspr., vgl. EuGH, Urteile vom 20. Juni 2024 – C-590/22, DB 2024, 1676 Rn. 25 – PS GbR; vom 11. April 2024 – C-741/21, NJW 2024, 1561 Rn. 34 – juris; vom 4. Mai 2023 – C-300/21, VersR 2023, VersR 2023, 920 Rn. 42 – Österreichische Post).
Weiter hat der Gerichtshof in seiner jüngeren Rechtsprechung unter Bezugnahme auf ErwG 85 DSGVO (vgl. ferner ErwG 75 DSGVO) klargestellt, dass schon der – selbst kurzzeitige – Verlust der Kontrolle über personenbezogene Daten einen immateriellen Schaden darstellen kann, ohne dass dieser Begriff des „immateriellen Schadens“ den Nachweis zusätzlicher spürbarer negativer Folgen erfordert (EuGH, Urteile vom 4. Oktober 2024 – C-200/23, juris Rn.145, 156 i.V.m. 137- Agentsia po vpisvaniyata; vom 20. Juni 2024 – C-590/22, DB 2024, 1676 Rn. 33 – PS GbR; vom 11. April 2024 – C-741/21, NJW 2024, 1561 Rn. 42 – juris; vgl. zuvor bereits EuGH, Urteile vom 25. Januar 2024 – C-687/21, CR 2024, 160, Rn. 66 – MediaMarktSaturn; vom 14. Dezember 2023 – C-456/22, NZA 2024, 56 Rn. 17-23 – Gemeinde Ummendorf sowie – C-340/21, NJW 2024, 1091 Rn. 82 – Natsionalna agentsia za prihodite).
Freilich muss auch insoweit die betroffene Person den Nachweis erbringen, dass sie einen solchen – d.h. in einem bloßen Kontrollverlust als solchem bestehenden – Schaden erlitten hat (vgl. EuGH, Urteile vom 20. Juni 2024 – C-590/22, DB 2024, 1676 Rn. 33 – PS GbR; vom 11. April 2024 – C-741/21, NJW 2024, 1561 Rn. 36 und 42 – juris). Ist dieser Nachweis erbracht, steht der Kontrollverlust also fest, stellt dieser selbst den immateriellen Schaden dar und es bedarf keiner sich daraus entwickelnden besonderen Befürchtungen oder Ängste der betroffenen Person; diese wären lediglich geeignet, den eingetretenen immateriellen Schaden noch zu vertiefen oder zu vergrößern. Der eingetretene Kontrollverlust liegt vorliegend darin, dass die Kläger die Kontrolle über ihre personenbezogenen Daten gegen ihren Willen durch den Datenschutzverstoß verloren haben. Weitere Beeinträchtigungen, die über den eingetretenen Kontrollverlust hinausgehen, vermag die Kammer auch nach Anhörung der Kläger im Verhandlungstermin nicht zu erkennen.
Den Klägern ist in Anbetracht des Pflichtverstoßes der Beklagten nach richterlichem Ermessen gemäß § 287 Abs. 1 ZPO ein immaterieller Schadensersatz in Höhe von je 100 Euro zuzusprechen. Unter Berücksichtigung des Zwecks des Schadensersatzanspruchs gemäß Art. 82 DSGVO einerseits und der Art und Schwere der eingetretenen Rechtsgutsverletzung andererseits ist vorliegend ein Schadensersatz in Höhe von 100 Euro für jeden einzelnen der Kläger angemessen aber auch ausreichend (BGH Urt. v. 18.11.2024 – VI ZR 10/24, GRUR-RS 2024, 31967 Rn. 32, beck-online). Zwar wurden die Daten der Kläger im Internet veröffentlicht, aber gerade als Wohnung der Kläger waren die Wohnungsbilder nur einem begrenzten Personenkreis erkennbar. Nach den Umständen des konkreten Einzelfalls ist die Kammer auch davon überzeugt, dass beklagtenseits die streitgegenständliche Veröffentlichung nicht ohne Einwilligung der Kläger beabsichtigt war, sondern aufgrund eines Kommunikationsversehens erfolgt ist.
2. Ein Anspruch der Kläger gegen die Beklagte auf Zahlung einer Geldentschädigung ergibt sich nicht aus § 823 Abs. 1 BGB iVm Art. 1 Abs. 2, 2 Abs. 1 GG, da die schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf eine Geldentschädigung nur dann begründet, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nur auf Grund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, also das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung, die Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- oder Rufschädigung des Verletzten, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen (vgl. BGH, NJW 2014, 2029 Rn. 38, beck-online).
Eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vermag die Kammer nicht festzustellen. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts Bezug genommen.
3. Die Kläger haben gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 117,10 Euro. Diese ergeben sich ausgehend von einem Gegenstandswert von 200 Euro mit der 1,6fachen Geschäftsgebühr in Höhe von 49 Euro, zuzüglich der Post- und Telekommunikationspauschale in Höhe von 20 Euro gemäß Ziff. 7002 VV RVG und der Umsatzsteuer in Höhe von 19% gemäß Ziff. 7008 VV RVG.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280, 286, 288 BGB.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
3. Der Streitwert wurde gem. §§ 47, 48 GKG festgesetzt.